Beschilderung zum Grenzübergang von Deutschland nach Österreich.
Arbeitsminister Kocher (ÖVP) will Facharbeitskräfte aus dem EU-Ausland verstärkt nach Österreich bringen. Bestehende Kritik wird die geplante Reform aber kaum ausräumen.
IMAGO/Fotostand

Geht es um den Fachkräftemangel, ist auch die Rot-Weiß-Rot-Karte nicht weit. Praktisch seit ihrem Bestehen wird die Zuwanderung qualifizierter Arbeitskräfte von jeder Regierung debattiert, zahlreiche Reformen wurden angekündigt, viele auch durchgeführt. Und dennoch: Das Erfolgsmodell, als das sie angepriesen wurde, ist sie immer noch nicht – auch wenn zuletzt mehr Aufenthaltsbewilligungen ausgestellt wurden.

An Ambitionen fehlt es nicht: Erst am Montag betonte Arbeits- und Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) einmal mehr, er wolle bis 2027 rund 16.000 Karten ausstellen. Ein Ziel, das einer Verdoppelung des aktuellen Niveaus entspricht. Dafür soll etwa die Verfahrensdauer halbiert werden, ohne dabei Prüfungsstandards zu untergraben. Aber kann das ausreichen?

Dafür lohnt ein Blick in die jüngste Reform vom Herbst 2022. Nach Jahren stagnierender und zeitweise rückläufiger Bewilligungszahlen – mit Ausnahme von 2019 – erhöhten sich die Ausstellungen erheblich. Im Vergleich zu 2021 hat sich die Zahl der ausgestellten Karten auf rund 8.000 Stück fast verdoppelt. Teile der damaligen Reform waren etwa digitalisierte Zulassungsverfahren, eine Ausweitung der Stammsaisonierregelung im Tourismus sowie ein aktualisiertes Punktesystem für Fachkräfte in Mangelberufen.

"AMS ist strenger geworden"

Gänzlich von Erfolg gekrönt ist die seinerzeit groß angekündigte Reform aber nicht. Hört man sich um, herrscht vielerorts immer noch eine kritische Stimmung. Zwar seien allen voran Kriterien für anrechenbare Sprachkenntnisse erleichtert worden, was vor allem Arbeitskräfte aus dem ehemaligen Jugoslawien betreffe, das Hauptproblem bleibe aber bestehen, sagt etwa der Wiener Rechtsanwalt Alexander Raidl.

Die Bewilligung der nötigen Punkte durch das AMS sei sehr streng und bürokratisch. "Ich habe das Gefühl, das AMS ist im Hinblick auf die Berufsqualifikationen sogar strenger geworden", sagt der Rechtsanwalt mit Fokus auf Einwanderung, Staatsbürgerschaft und Arbeitsrecht. Auch ein Beispiel hat er parat: Aktuell kämpft er um einen positiven Bescheid für einen türkischen Friseur, der in der Steiermark tätig werden möchte. Dort gilt die Tätigkeit als regionaler Mangelberuf; Raidls Klient selbst hat in der Türkei eine Friseurausbildung samt Meisterprüfung absolviert, sogar einen eigenen Salon geführt.

Die nötige Schwelle von 55 Punkten konnte er jedoch nicht erreichen, das AMS lehnte den Antrag ab. Auch das Bundesverwaltungsgericht berief sich auf die nötige Gleichwertigkeit der Berufsausbildung. Doch genau darin liege das Problem, sagt Raidl. "Was die Gesetzgebung nicht beachtet, ist, dass in kaum einem Land der Welt eine vergleichbare duale Ausbildung wie in Österreich existiert."

Keine konkreten Maßnahmen

Durch die starke Gewichtung einer gleichwertigen Ausbildung – sie macht mit 30 Punkten ein Drittel der Höchstpunktezahl aus – sei sie für nicht wenige Antragsteller eine beträchtliche Hürde. Noch dazu, weil es keine Abstufungen im Punktesystem gibt. "Entweder habe ich die Ausbildung und bekomme die vollen 30 Punkte; oder ich erhalte eben gar keine – da gibt es nichts dazwischen."

Neben einer sinnvollen Abstufung spricht er sich daher für einheitliche Regeln für die Anerkennung von absolvierten Ausbildungen in zuzugsstarken Drittstaaten aus. "Damit wüsste das AMS genau, was die jeweilige Ausbildung im Herkunftsland wert ist, ohne dass detaillierte Nachweise von zum Teil Jahrzehnte zurückliegenden Ausbildungen vorgelegt werden müssen", erklärt Raidl. Derartige Vereinbarungen könne man etwa mit Ländern wie der Türkei, Indien oder den Philippinen andenken – der bürokratische Aufwand würde sich dadurch sowohl für das AMS als auch für die Antragsteller deutlich verringern.

WKO unterstützt, Gewerkschafter übt Kritik

Eine solche Vereinbarung dürfte nun wirklich im Gespräch sein. Am Rande eines interministeriellen Strategieausschusses sprach sich Kocher für ein "Pre-Check"-Register aus, mit dem Qualifikationen für Mangelberufe erleichtert werden sollen. Geplant sind entsprechende Abkommen etwa mit den Philippinen und Indonesien. Während Arbeitgebervertreter die Maßnahmen wenig überraschend unterstützen – schließlich kündigte die Wirtschaftskammer bereits vor Monaten eine engere Kooperation mit dem Ministerium an –, zeigt sich so mancher Gewerkschafter ablehnend.

Vida-Vorsitzender Roman Hebenstreit etwa kritisiert mit der "Bindung ausländischer Arbeitskräfte an einzelne Arbeitgeber" überhaupt eines der wesentlichsten Merkmale der RWR-Karte. Sie berechtigt nämlich neben einer auf 24 Monate befristeten Niederlassung in Österreich zur Beschäftigung bei nur einem konkreten Arbeitgeber. (Nicolas Dworak, 18.3.2024)