Die "Star Wars"-Ausstellung in der Wiener Stadthalle wurde bis zum 1. April verlängert. Kein "Star Wars"-Fan? Nun, das Plakat ist eigentlich ohnehin Nebensache auf der Litfaßsäule in der Nähe des Ernst-Happel-Stadions im zweiten Bezirk. Denn fast wie in einem Agententhriller ist inmitten der abgerundeten Plakatwand ein Schloss mitsamt dazugehöriger Tür versteckt.

Für die meisten ist es eine Litfaßsäule, aber Profis erkennen die eigentliche Funktion an den Lüftungsschlitzen.
Wien Energie

Wer den Schlüssel hat und die Tür öffnet, muss erst einen todesmutigen Schritt über ein Loch wagen und dann 22 Sprossen und sechs Meter auf einer Leiter in die Tiefe kraxeln. Dann steht man in einem etwa 80 Quadratmeter großen Raum, in dem Maschinen gleichmäßig brummen und es trotz winterlicher Temperaturen draußen wohlig warm ist.

Hier befindet sich ein sogenannter Gufo der Wien Energie – nein, kein Ufo, auch wenn es sich für viele um ein ähnlich unbekanntes Objekt handelt. Dass sich da unter dem Gehsteig ein Raum so groß wie eine Dreizimmerwohnung befindet, wissen auch die meisten Anrainerinnen und Anrainer nicht.

Eine Abzweigung

Ein Gufo ist ein Gebietsumformer und damit ein unverzichtbarer Bestandteil des wachsenden Fernwärmenetzwerks in Wien. In Vierteln, wo die Straßen aufgestemmt und Fernwärmeleitungen verlegt werden, braucht es auch einen Gufo. Dominik Pernsteiner, technischer Koordinator bei der Wien Energie, vergleicht ihn mit einer Abzweigung von der Autobahn: "Wir fahren hier mit 130 von der Autobahn ab und passen unsere Geschwindigkeit an das Ortsgebiet an."

Umgelegt auf die Fernwärme heißt das: Hier mündet das zentrale Netz der Fernwärme, in der das auf bis zu 145 Grad erhitzte Wasser unter enormem Druck transportiert wird, in ein lokales Netz. Im Gufo wird das heiße Wasser über einen Wärmetauscher geschickt, wo die Wärme auf Sekundärleitungen übertragen wird, die diese dann im Grätzel verteilen. Das Wasser hat nur noch 60 bis 90 Grad, wenn es den Maschinenraum wieder verlässt und etwa das Stadion beheizt.

22 Stufen führen in die Tiefe.
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600 solcher unterirdischen Gufos gibt es derzeit in Wien – und mit dem laufenden Ausbau der Fernwärme werden es noch einmal mehr werden. Die Fernwärme ist für viele Hausgemeinschaften, die noch mit Gas heizen und in den kommenden Jahren auf eine nachhaltigere Alternative umsteigen müssen, das Best-Case-Szenario. Wer schon eine Zentralheizung und die Fernwärme vor der Haustür hat, muss dafür nicht groß umbauen.

Es wird gegraben

Allerdings kommt auch die Fernwärmeproduktion in Wien in Spitzenzeiten derzeit auch noch nicht ohne Gas aus. Bis 2040 soll die Fernwärme aber klimaneutral sein, laut Pernsteiner wird sich das durch den Ausbau von Großwärmepumpen und Geothermie auch ausgehen.

Die Variante ist aber auch nicht die richtige Lösung für alle Häuser: Man kann die Fernwärme nicht bestellen wie das Abendessen beim Lieferservice. Der Ausbau des Netzes ist langwierig und zahlt sich nur in der dicht verbauten Stadt aus. Für manche Grätzel am Stadtrand wird es also Alternativen wie Tiefensonden brauchen.

Wo das Fernwärmenetz ausgebaut wird, entstehen auch Gebietsumformer, kurz: Gufos, die wie eine Autobahnabfahrt für Wärme funktionieren.
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Im Alliiertenviertel im zweiten Bezirk wird aber bereits gegraben – hier werden unter der Straße gerade nicht nur die Fernwärmeleitungen von der Taborstraße in die Nordbahnstraße gelegt, sondern auch das Loch für den Gufo ausgehoben, der doppelt so groß ausfällt wie jener beim Stadioncenter. Im Frühjahr 2025 kommen die Wärmetauscher und Pumpen, ab Herbst 2025 soll das Viertel mittels Fernwärme geheizt werden – in der Endausbaustufe werden 260 Häuser im Grätzel am Netz hängen.

Für Anrainerinnen und Anrainer heißt das bis dahin vor allem eines: eine Großbaustelle vor der eigenen Haustür. Die Rückmeldungen seien aber positiv, betont man bei der Wien Energie. Und das Interesse daran, ab wann man selbst mit Fernwärme heizen kann, sei groß. Um alle an Bord zu holen, sind ab April Stammtische geplant.

Eine Pflicht zum Anschluss an die Fernwärme gibt es nämlich weder für die Besitzerinnen und Besitzer der Häuser noch für Mieterinnen und Mieter. Bei der Wien Energie geht man aber davon aus, dass die Anschlussquote der einzelnen Häuser hoch sein wird.

Vier Pioniergebiete

In insgesamt vier Pioniergebieten – neben dem Alliiertenviertel sind das die Gumpendorfer Straße im sechsten, die Rossau im neunten und der Huber-Block im 16. Bezirk – wird der Ausbau der Fernwärme derzeit strategisch vorangetrieben. Soll heißen: Wo zum Beispiel ohnehin bereits die Erneuerung der Straße vorgesehen ist, wird auch gleich die Fernwärme ausgebaut. Gleichzeitig sollen in Zusammenarbeit mit anderen Stellen der Stadt Erfahrungen für weitere Projekte gesammelt werden.

Die Suche nach einem Standort für einen Gufo ist angesichts dessen, was unterhalb von Straßen an Rohren und Leitungen bereits verlegt ist, mitunter gar nicht so leicht. Beim Stadioncenter sei das kein Thema gewesen, an der dicht verbauten Gumpendorfer Straße sei die Sache deutlich komplizierter.

Im Alliiertenviertel im zweiten Bezirk wird gerade an einem Gufo gebaut.
Zoidl

Mitunter müsse man sich da auf die Suche unter Straßen und Plätzen machen, sagt Pernsteiner, der Zugang über Litfaßsäulen sei da relativ häufig: "Es ist eine verborgene Welt im Untergrund." Ob sich unter einer Litfaßsäule ein Raum befindet, merkt man übrigens an den kleinen Lüftungsschlitzen am oberen Ende der Säule.

Über die Stiege geht es zurück ans Tageslicht. Die Tür geht zu und wird abgesperrt. Die Litfaßsäule ist jetzt wieder, was sie vorher war: eine relativ unauffällige Werbefläche im Stadtraum. Aber, schon gehört? Die "Star Wars"-Ausstellung wurde bis 1. April verlängert. (Franziska Zoidl, 19.3.2024)