Durch das Zusammenfallen des Autors mit dem Schreiber und der Vereinheitlichung der Orthografie in der Neuzeit wurde eine Bildungsbarriere geschaffen, die im Mittelalter eine untergeordnete Rolle spielte: selbst schreiben muss bezogen auf orthographische Normen korrekt sein.

Die Einführung des Peer-Review-Verfahrens, der Fokus auf kurze essayistische Texte in der Wissenschaft und das Verschwinden von reinen Schreibkräften in der Privatwirtschaft, haben diesen Druck erhöht.
Heutzutage setzt Bildung voraus, dass man ab der Idee für einen Text eigenständig und für sich selbst ein fertiges Textprodukt abliefern können muss.

Didaktisch schlägt sich das im Training zum automatisierten Schreiben nieder. Das soll heißen, ein erfolgreicher Sprachunterricht in Englisch und Deutsch beinhaltet, dass orthographische Normen zeitgleich mit dem Schreibprozess umgesetzt werden.

Wer das nicht kann, wird als ungebildet oder nicht geeignet für weiterführende Bildung eingestuft. Legastheniker können diesem Anspruch trotz der Digitalisierung und Rechtschreibprogrammen nicht immer erfüllen.

Wie kann Bildung begriffliche gefasst werden, sodass sie einerseits den Ansprüchen der Schreibpraxis in Wirtschaft und Wissenschaft genüget, aber neurodiverse Personen nicht von höherer Bildung fernhält? Welche konkreten Maßnahmen können getroffen werden, um Legastheniker am Arbeitsmarkt nicht zu benachteiligen?