Eine Verdichterstation in Baumgarten im Marchfeld
Bis jetzt, und voraussichtlich noch bis Jahresende, kommt russisches Gas in Baumgarten an der österreichisch-slowakischen Grenze an (im Bild eine Verdichterstation). Die Ukraine will den Transitvertrag nicht verlängern, Dritte müssten einspringen.
Gas Connect Austria

Das drohende Ende russischer Gaslieferungen ab nächstem Jahr aufgrund der Nichtverlängerung des Transitvertrags durch das ukrainische Energieunternehmen Naftogaz und damit absehbar höhere Preise schweißen Wirtschaftskammer (WKO) und Industriellenvereinigung (IV) zusammen. Beide Generalsekretäre, Karlheinz Kopf von der WKO und Christoph Neumayr von der IV, forderten bei einem gemeinsamen Auftritt am Montag raschestmöglich eine politische Initiative, um das Schlimmste zu vermeiden.

Adressatin der Forderung ist Energieministerin Leonore Gewessler (Grüne). Sie habe es verabsäumt, rechtzeitig für die von der Energiepolitik betroffenen Unternehmen verkraftbare Maßnahmen zur Diversifizierung der Gasbezüge zu treffen. Sowohl Kopf als auch Neumayr sprachen von "zwei verlorenen Jahren". Der Wag-Loop, die Verstärkung der West-Austria-Gasleitung auf etwa 40 Kilometer Länge zwischen Oberkappel und Bad Leonfelden in Oberösterreich, hätte demnach bereits 2025 in Betrieb genommen werden können, wäre rechtzeitig reagiert worden.

Sondergenehmigungsregime

So steht der Wag-Loop nach Klärung der Finanzierungsfrage – rund 70 Millionen der erforderlichen gut 200 Millionen Euro stellt das Finanzministerium zur Verfügung – frühestens 2027 bereit. Damit das fix klappt, sollte man politisch "ein Sondergenehmigungsregime für den Wag-Loop" überlegen, sagte Kopf.

Und wie könnte russisches Gas, dessen Ausbleiben nach dem Dafürhalten von Kopf und Neumayr zu ernsthaften Versorgungsproblemen und entsprechend hohen Preisen in Österreich führen würde, bei einem Ausscheren von Naftogaz weiter nach Zentraleuropa kommen? Indem ein internationales Konsortium aus Gashändlern betroffener Staaten anstelle der ukrainischen Naftogaz den Weitertransport von russischem Gas bewerkstelligt. Ungarn und die Slowakei, die wie Österreich russisches Gas über das ukrainische Leitungsnetz beziehen, seien bereits in diese Richtung initiativ geworden. Es sei höchste Zeit, dass sich auch Österreich dieser Initiative anschließe. Dabei geht es wohl auch um Garantien und Risikoübernahmen, damit sich überhaupt ein privates Unternehmen im Zuge einer Ausschreibung beteiligt.

Klage gegen Deutschland urgiert

Noch bei einem anderen Thema wollen Kopf und Neumayr Ministerin Gewessler in die Pflicht nehmen, nämlich rasch ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland anzustrengen, um die von Transiteuren verlangte Gasspeicherabgabe vom Tisch zu bekommen. Diese ist erst zu Jahresbeginn von 1,45 Euro je Megawattstunde (MWh) auf 1,58 Euro angehoben worden. Das sei gleichbedeutend mit einem Aufschlag von rund sieben Prozent auf den Großhandelspreis, wenn Gas über Deutschland nach Österreich geleitet wird, sagt Kopf. Das sei nichts anderes als ein einseitiger Zoll, der von Deutschland eingehoben werde, und damit EU-rechtswidrig, meinen nicht nur WKO und IV.

Die Gefahr sei, dass bei einer Nichtbekämpfung dieser Praxis auch andere Länder auf den Geschmack kommen und Ähnliches planen könnten. In Italien, wo ähnliche Pläne gewälzt worden sind und eine "Solidarity Charge" (Solidaritätsabgabe) von 2,19 Euro je MWh ursprünglich ab April im Gespräch war, habe man das nicht zuletzt aufgrund der Diskussionen in Österreich für den Moment ausgesetzt, sagten die Vertreter von Wirtschaft und Industrie. Sowohl Kopf als auch Neumayr sind nicht prinzipiell gegen eine Diversifizierung der Gasbezüge, im Gegenteil. Das sei wichtig und auch vernünftig, sagen sie, aber alles mit Maß und Ziel. (Günther Strobl, 18.3.2024)