Wer aufgrund einer chronischen Stimmbanderkrankung oder temporär nach einer Kehlkopfkrebs-Operation nicht mehr sprechen kann, wird sich über eine neue Erfindung der University of California freuen. Forscher am Campus in Los Angeles haben ein Wearable erfunden, das ihnen wieder die Sprachkommunikation ermöglicht, selbst wenn die Stimmbänder nicht mehr funktionieren.

Das Gerät sieht aus wie ein Sticker und wird auf den Hals geklebt. Das quadratische Wearable hat eine Fläche von rund 6,5 Quadratzentimetern. Es fungiert als Messgerät für Daten, die anschließend von einem KI-Modell mit hoher Genauigkeit vertont werden.

Ein Sticker, der Menschen ohne funktionierende Stimmbänder sprechen lässt
Der Sticker hat eine Fläche von rund 6,5 Quadratzentimetern.
Jun Chen Lab/UCLA

Algorithmus macht Muskelbewegungen zu Sprache

Die Erfindung besteht aus zwei Elementen, eingebettet in eine elastische, biokompatible Silikonverbindung (Polydimethylsiloxan). Das erste Element beinhaltet einen Sensor, der Änderungen des mit Mikromagneten hergestellten Magnetfelds erfasst. Diese treten beim Sprechen durch die Bewegung der Kehlkopfmuskulatur auf. Die Messwerte wandelt der Sensor über kleine Induktionsspulen in ein elektrisches Signal um, das mithilfe eines durch Maschinenlernen gestützten Algorithmus in Wörter übersetzt wird, wobei die Genauigkeit mit 94,68 Prozent angegeben wird.

Ein Sticker, der Menschen ohne funktiorende Stimmbänder wieder sprechen lässt
Eine biokompatible Silikonverbindung verleiht dem Sticker Elastizität.
Jun Chen Lab/UCLA

Ein Aktuator erzeugt daraus schließlich den akustischen Sprachausdruck. Im Experiment ließen die Wissenschafter ihre Probanden fünf Sätze jeweils laut und stimmlos sagen, darunter "Ich liebe dich!" und "Hi Rachel, wie geht es dir heute?".

Befestigt ist das siewben Gramm leichte Gerät mit einer 1,5 Millimeter dünnen Schicht aus ebenfalls biokompatiblem, doppelseitigem Klebeband. Der Austausch desselben ermöglicht auch eine Wiederverwendung. Die Forscher betonen, dass ihre Erfindung einige Probleme umschifft, die bisher übliche Lösungen wie Elektrolarynxgeräte oder chirurgische Verfahren mit sich bringen. Denn sie ist weder invasiv wie eine Operation, noch macht sie es notwendig, beim Sprechen mit einem externen Gerät zu hantieren.

Ein Sticker, der Menschen ohne funktionierende Stimmbänder sprechen lässt
Aufbau und Funktionsweise des Stickers.
Jun Chen Lab/UCLA

Weitere Tests geplant

Bis der "Sticker" reif für den praktischen Einsatz ist, wird es aber noch etwas dauern. Im nächsten Schritt möchte das Team den Algorithmus weiter trainieren, um sein Vokabular zu vergrößern, und anschließend Tests mit Menschen mit Sprachstörungen durchführen. Das Paper zu ihrer Arbeit wurde im Journal "Nature Communications" veröffentlicht.

Auch andernorts wird an Lösungen für Menschen mit Sprechproblemen gearbeitet. Das niederländische Start-up Whispp hat eine KI entwickelt, die Menschen, die etwa nach einer Krebsoperation nicht mehr laut reden können, in Echtzeit in ihrer alten Stimme reden lassen kann. DER STANDARD hat sich das Tool am vergangenen Mobile World Congress angesehen und mit dem Gründer Joris Castermans gesprochen. (gpi, 18.3.2024)