Der Abschluss eines Migrationspakts zwischen der Europäischen Union und Ägypten ist ein gutes Stück gemeinschaftlicher Realpolitik. Abkommen dieser Art sollen neben vielen anderen Einzelmaßnahmen wie verstärkter Sicherung der EU-Außengrenzen ein tragendes Element einer komplexen neuen Flüchtlings- und Zuwanderungspolitik sein.

Der Abschluss eines Migrationspakts zwischen der Europäischen Union und Ägypten ist ein gutes Stück gemeinschaftlicher Realpolitik.
AFP/PIO/STAVROS IOANNIDES

Der Druck auf Europa durch irreguläre Migration soll verringert werden. Seit der großen Migrationswelle 2014/15 war es nicht gelungen, die drei Hauptziele der 1999 festgelegten Politik dazu umzusetzen. Die sind: reguläre Einwanderung fördern; Kriegsflüchtlingen und Verfolgten Schutz bieten; Kriminalität, Menschenhandel, die Schleppermafia bekämpfen.

Dramatische Umstände

Noch vor den EU-Wahlen im Juni versucht man, ein Signal zu setzen, dass mehr Recht und Ordnung in die immer wieder dramatischen Zustände im Mittelmeerraum gebracht werden, besonders betroffen sind Italien und Griechenland, Ägypten, Libyen und Tunesien. So haben das die Staats- und Regierungschefs der 27 EU-Mitglieder einstimmig beschlossen, ob sozialdemokratisch oder konservativ, liberal oder grün (mit)regiert. Das EU-Parlament trug das Migrationspaket mit. Die EU-Kommission hat die "neue Migrationspolitik" umzusetzen. Sie wird Schwerpunkt im Arbeitsprogramm der Kommission bis 2029.

Das zu betonen ist wichtig, weil diese Politik auf nationalen Ebenen umstritten ist – polarisiert, aus völlig verschiedenen Motiven heraus.

Rechtspopulisten wie in Österreich die FPÖ lehnen das fundamental ab, sehen das als reines "Ablenkungsmanöver". EU-Gegner wollen im Rahmen ausländerfeindlicher Politik gar keine gemeinsame Politik zu Migration. Ihre Slogans sind: "Grenzen dicht", "Festung Österreich". Wie extrem Rechte in Deutschland propagiert die FPÖ "Remigration": Millionen Menschen mit Zwang außer Landes schaffen. Absurd, nicht nur, weil verfassungs- und EU-rechtlich nicht umzusetzen.

Aber auch viele NGOs, Kirchenorganisationen, für Asylwerber engagierte Experten und Anwälte lehnen Restriktionen wie EU-Deals mit Drittländern ab. Sie behaupten, Menschenrechte würden nicht geachtet, Probleme nur in die Ferne verlagert.

Migrantische Projekte

Was bei den polarisierten Aktivisten und Kritikern meist fehlt, sind praktikable Vorschläge, die auch politische Mehrheiten in einer Union mit 440 Millionen Einwohnern finden.

Im Fall Ägypten nehmen die EU-Institutionen 7,4 Milliarden Euro in die Hand, von den Mitgliedsstaaten finanziert beziehungsweise garantiert. Mit dem Geld sollen zum geringeren Teil migrantische Projekte finanziert werden. Der größere Teil dient dazu, Ägypten Finanzhilfe zu geben, um das Land zu stabilisieren und zu besserer Kooperation zu bringen. Mit 900 Millionen Euro hat man das mit Tunesien begonnen.

Zum Vergleich: Ab 2016 gab es zwei Abkommen mit der Türkei. Sechs Milliarden Euro flossen ins Land, was die Versorgung hunderttausender Flüchtlinge erleichterte, medizinisch und schulisch. Ob das mit Ägypten, Tunesien und anderen afrikanischen Staaten funktionieren wird, bleibt abzuwarten. Sicher ist, die Politik des Laufenlassens bei Migration ist vorbei. (Thomas Mayer, 17.3.2024)