Der neue Präsident in Russland ist der alte. Daran gab es von Anfang an kaum Zweifel. Und erst einmal bedeutet das Wahlergebnis, ob man das so will oder auch nicht: Umdenken ist angesagt. Wladimir Putin wird seinen Weg in Richtung einer Sowjetunion 2.0 weitergehen. Und die meisten Menschen in Russland werden ihm wohl folgen. Das hat das Wahlergebnis gezeigt, trotz möglicher Manipulationen. Man wird sich daran gewöhnen müssen, dass Konsumgüter nicht mehr aus dem Westen, sondern aus China kommen. Viele kritische Geister werden das Land verlassen und als Arbeitskräfte fehlen. Das wird Probleme bringen, doch Russland wird nicht in die Knie gehen.

Wladimir Putin wird seinen Weg in Richtung einer Sowjetunion 2.0 weitergehen.
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Und das ist die unbequeme Wahrheit für uns im Westen: Wir werden mit Wladimir Putin und der von ihm angedachten neuen Großmacht Russland leben müssen. Und vielleicht schon in naher Zukunft werden wir mit Putin verhandeln müssen. Denn die Unterstützung für die Ukraine bröckelt. Die USA wollen zumindest derzeit kein Geld mehr für das überfallene Land ausgeben, auch wenn die US-Rüstungsindustrie viel an diesem Krieg verdient hat. Die verbleibende Last können die Europäer nicht schultern. Außer sie wollen ihre Wirtschaft, ihre Gesellschaft ruinieren. Das will niemand.

Langfristiges Projekt

Also verhandeln. Man wird akzeptieren müssen, dass Putin die besetzten Gebiete nicht mehr hergeben wird. Nicht nur auf der Fahrt durch die annektierte Halbinsel Krim spürt man: Putins Projekt ist langfristig angelegt. Russland wird seinen, wie es politisch salopp heißt, "Hinterhof" unter Kontrolle halten. Auch Georgien, Moldau, Armenien und andere Länder. Die USA machen übrigens das Gleiche mit ihrem Hinterhof in Amerika.

Gegensteuern kann und muss man mit Diplomatie. Das ist zäh und dauert, lohnt sich aber langfristig. Niemand kann den Krieg in der Ukraine gewinnen. Nur: Russland kann ihn fast beliebig lange führen. Traurig, aber dies ist die Realität. Sicher muss man der Ukraine humanitär und beim Wiederaufbau helfen. Schrankenlose Waffenlieferungen aber verlängern nur den Krieg und das Leid der Menschen. Papst Franziskus hat vom "Mut" gesprochen, "die weiße Fahne zu hissen" und auf Friedensverhandlungen zu setzen. Das sei keine Kapitulation. Ein kluger Papst. Wir sind die Guten, Putin ist der Böse: Realpolitik geht bedauerlicherweise anders. Auch eine Lehre aus dem Wahlergebnis in Russland. (Jo Angerer, 17.3.2024)