Als Odermatt zwölf Jahre alt war, wechselte er auf Material von Stöckli. Dabei ist es bis heute geblieben. Sein aktueller Vertrag mit Stöckli läuft bis 2026.
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Der Letzte, der Marco Odermatt vor dem Start in ein Skirennen berührt, der mit ihm spricht und Augenkontakt hat, ist ein Vorarlberger. Der Gesamtweltcup geht deshalb noch lange nicht auf das Konto des ÖSV, aber der beste Skifahrer der vergangenen drei Jahre bekommt Hilfe von Chris Lödler. Seit acht Jahren schleift und bürstet er Odermatts Skier als dessen persönlicher Servicemann, an seine Seite gestellt von der Skifirma Stöckli. Bevor sich Odermatt aus dem Starthaus stemmt, wischt Lödler seine Skier noch einmal sauber.

"Die Arbeit als Servicemann ist eine Mischung aus Handwerk und Wissenschaft", sagt Lödler gerne. Auf der einen Seite feilt er Kanten, putzt den Belag, tropft Wachs auf die Lauffläche, die er dann mit einem Bügeleisen abfährt. Andererseits führt Lödler Buch über sein Repertoire an Skipaaren und wann sie am besten funktionieren. Odermatt gibt ihm beim Einfahren Feedback, Lödler verwandelt die Information in die perfekte Skiwahl. Dabei stützt er sich auf Erfahrungswerte zahlreicher Testläufe, die unterschiedlichen Set-ups hat er in einer Datenbank gespeichert. Ein simples Beispiel: Ein Ski mit scharfen Kanten hilft bei eisiger Piste. Nur kommen in der Praxis tausende Verzweigungen mehr auf, abhängig etwa von Temperaturen, Wetter oder Schneebeschaffenheit. Die Realität ist tausendmal komplizierter.

Der Tüpflischisser

Lödler nennen sie in Malters, in der Manufaktur von Stöckli nahe Luzern, einen Tüpflischisser, quasi einen pingeligen Perfektionisten. "Das Material soll dem Fahrer Sicherheit und Vertrauen geben", sagt der 48-Jährige. "Nur so kann das volle Potenzial ausgeschöpft werden." In diesem Winter schöpfte Odermatt wieder einmal aus dem Vollen: 13 Rennsiege, darunter der seiner Aussage nach wichtigste der Saison in der Abfahrt von Wengen über die volle Länge. Dazu kommen Siege im Gesamt- sowie im Riesenslalomweltcup, in der kommenden Woche könnten gut und gerne Kugeln für die Wertungen in Abfahrt und Super-G dazukommen; in beiden liegt Odermatt vorn.

Auch der Riesenslalom von Saalbach am Samstag verlief für Odermatt zunächst nach Plan. Nach Bestzeit im ersten Durchgang kam er jedoch in Lauf zwei aus der Balance, übersah Spuren im weichen Schnee und fiel aus dem Kurs. Damit verpasste Odermatt die Chance, eine perfekte Saison mit zehn Siegen in zehn Rennen in dieser Disziplin hinzulegen. Die neun Riesenslaloms vor Saalbach hatte der 26-Jährige allesamt gewonnen.

Odermatt fährt nicht für eine der großen Skimarken im Weltcup wie etwa Atomic oder Head, sondern mit Skiern von Stöckli. Der Rennsportleiter der Firma, der ehemalige Skiprofi Marc Gisin, sagt dem STANDARD: "Wir sind ein kleines, feines Unternehmen, das hohe Schweizer Qualität repräsentieren soll." Auf die Frage, wo Gisin seinen Arbeitgeber in der Welt der Skiausrüster einordnet, sagt er zu Recht: "An der Spitze. Wir rüsten wenige Leute aus, die sind aber ganz vorn. Das zeichnet Stöckli aus."

Ruhe schenkt Vertrauen

Gisin war früher selbst Rennfahrer, nach mehreren heftigen Stürzen in Abfahrten musste er seine Karriere mit 31 Jahren beenden. Gisin weiß, was ein Servicemann können muss: "Er sollte fachlich kompetent sein, Kontakt mit der Entwicklungsabteilung haben. Aber er ist auch eine riesige Vertrauens- und Bezugsperson für Athleten. Denn es ist die Person, die dich am engsten und detailliertesten betreut." Lödler spricht von einem Urvertrauen, das Odermatt in ihn hat. "Ich möchte Marco spüren lassen, dass alles bereit ist", sagt Lödler. "Meine Ruhe ist wichtig für ihn."

Meist sind Profi und Servicemann gut befreundet, Lödler und Odermatt verbringen viel Zeit gemeinsam im Auto, tauschen sich dabei über das Leben aus. Gisin sagt: "Die beiden verstehen sich blind, brauchen nicht viele Worte zu wechseln. Das ist ein großes Glück. Heute würde man sagen: It’s a match!"

Lödler wohnt seit den Nullerjahren in der Schweiz. Zunächst arbeitete er für den Skiverband als Servicemann, zwei Jahre war er als Trainer tätig. Seit knapp 15 Jahren steht er bei Stöckli unter Vertrag, früher kümmerte er sich um die Skier der vierfachen Weltcupsiegerin Fabienne Suter, später half er Olympiasiegerin Viktoria Rebensburg.

Für die ideale Präparierung müsse man auch den Athleten gut kennen, sagt Lödler. Dass er mit Odermatt zusammenarbeitet, sei Glück gewesen. Stöckli wollte Odermatt schon nach seinem Sieg bei der Junioren-WM 2016 mit einem eigenen Servicemann betreuen, Lödler war verfügbar – it’s a match eben.

Falls es die Schnee- und Wetterlage zulässt, fährt Odermatt in Saalbach Ende der Woche noch Abfahrt und Super-G. Danach will er noch bis Mitte April auf Schnee Skier testen. (Lukas Zahrer, 18.3.2024)