Bildungskarenz Auszeit Pause Bildung Lernen
Verdiente Auszeit? Über Sinn und Unsinn der Bildungskarenz wird wieder diskutiert.
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Wieder ist die Bildungskarenz medial aufgepoppt: Nach dem Rechnungshof und Arbeitsminister Martin Kocher kritisiert nun auch der wirtschaftsliberale Thinktank Agenda Austria diese Maßnahme. Sie sei nicht zielgerichtet genug, werde nicht ausreichend kontrolliert und von den "falschen" Menschen beansprucht, nämlich ohnehin bereits hochqualifizierten Personen, mehrheitlich Frauen, die teils so die Elternkarenz verlängern.

"Dass diese Auszeit neben der Weiterbildung auch anderen Zwecken dient, ist legitim und Ausdruck bestehender Bedürfnisse von Erwerbstätigen."

Aus meiner Erfahrung – ein halbes Jahr Bildungskarenz vor 17 Jahren und ein ganzes Jahr jetzt – kontrolliert das AMS hier streng. Die Kommunikation läuft allerdings nur über das e-AMS-Konto, eine Ansprechperson gibt es nicht. Auch eine Abklärung vor der Bildungskarenz, ob die von mir gewünschte Weiterbildung passe, war nicht möglich. So fehl(t)en mir immer wieder genaue Informationen darüber, was vom AMS verlangt wird. Aus diesem Grund war ich praktisch gezwungen, Sprachkurse zu machen, um etwa eine zweiwöchige Pause zwischen zwei Lehrgängen zu "füllen", da mir sonst Geld gekürzt worden wäre. Dass Hobbykurse vom AMS bewilligt werden, mag vorgekommen sein, mir erscheint es sehr unwahrscheinlich. Sicherlich aber wäre mehr Klarheit und Transparenz bei der Frage, welche Weiterbildungen zulässig sind, wichtig und auch eine individuelle Abstimmung auf die eigene Erwerbsbiografie.

Keine "Zeit des Nichtstuns"

Selbstverständlich ist eine Bildungskarenz eine Auszeit vom Job, das ist der Sinn der Sache, aber eben keine "Zeit des Nichtstuns". Weiterbildung ist gerade heute – Stichwort Digitalisierung – essenziell, um am Arbeitsmarkt up to date zu bleiben, auch wenn es nicht unmittelbar um die Vermeidung von Arbeitslosigkeit geht. Nicht umsonst wird lebenslanges Lernen von Politikerinnen und Politikern regelmäßig beschworen. Und ich denke, dass es wichtig ist, dass Menschen selbst entscheiden können, welche Ausbildungen sie absolvieren wollen, und dass dies letztendlich auch Arbeitgebenden und dem Arbeitsmarkt zugutekommt. Aber wie erwähnt: Mehr individuelle Beratung wäre wünschenswert.

Dass diese Auszeit neben der Weiterbildung auch anderen Zwecken dient, ist legitim und Ausdruck bestehender Bedürfnisse von Erwerbstätigen. Die vermehrt in Anspruch genommene Bildungskarenz nach der Elternkarenz durch Frauen hat einen Grund und zeigt ein altbekanntes Problem: die nach wie vor sehr schwierige Vereinbarkeit von Erwerbsarbeit mit der Betreuung kleiner Kinder für sie – sei es aufgrund unzufriedenstellender Betreuungseinrichtungen, mangelnder Mitwirkung der Väter und/oder Unverständnis bis hin zu Diskriminierung durch Arbeitgebende. Diesem Problem sollte man sich durch Maßnahmen auf anderen Ebenen nähern. Den Zugang zur Bildungskarenz zu beschränken ist hier jedenfalls kein Lösungsansatz.

Breiterer Zugang

Und angesichts der Tatsache, dass in einer Studie erst kürzlich erhoben wurde, dass etwa 40 Prozent (!) der Erwachsenen in Österreich Burnout-gefährdet sind, ist die Bildungskarenz eine ganz wichtige Maßnahme der selbstbestimmten Auszeit vom Job, die langfristig hilft, die Arbeitsfähigkeit zu erhalten, und damit auch eine gesundheitspolitische Zielsetzung enthält. Es ist höchst an der Zeit, die Anforderung "arbeitsmarktspezifisch zielgerichtet" weiter zu verstehen als 1998 bei der Einführung der Bildungskarenz. Angedacht werden könnte eine Beteiligung der Krankenversicherungen an den Kosten.

Die Bildungskarenz wird aus der Arbeitslosenversicherung finanziert, in die Arbeitgebende und -nehmende einzahlen. Auch ich halte es für zentral, dass sie allen Arbeitnehmenden, und insbesondere den niedriger Qualifizierten, offensteht und es eine Schieflage zeigt, wenn – so wie jetzt – die Gelder vermehrt an bereits hochqualifizierte Personen fließen.

Nicht leistbar

Damit dies möglich ist, müssen allerdings die Rahmenbedingungen geändert werden, denn Bildungskarenz ist für Menschen mit geringem Einkommen schlicht nicht leistbar; diese müssten daher einen höheren Einkommensersatz als das derzeitige Arbeitslosengeld erhalten. Zum anderen müsste die Bildungskarenz ein Rechtsanspruch werden, denn es gibt Arbeitgeber, die nicht an der beruflichen Entwicklung ihrer Beschäftigten interessiert sind und sie daher nicht bewilligen; auch dies betrifft verstärkt jene Branchen, in denen weniger qualifizierte und niedriger entlohnte Personen arbeiten – also genau jene Gruppe, der die Bildungskarenz vermehrt zugutekommen sollte. So wie die Bildungskarenz jetzt geregelt ist, kann das nicht gelingen.

Die Politik ist tatsächlich gefragt: aber nicht im Sinne einer Verschärfung, sondern im Gegenteil durch eine Öffnung der Bildungskarenz. Ein Bashing der Menschen, die diese beanspruchen, ist einfach, aber einfach zu wenig! (Sabine Wagner-Steinrigl, 18.3.2024)