Frau mit Slip, an der Hüfte sind Dehnungsstreifen
Optisch sind Periodenpants kaum von regulärer Unterwäsche zu unterscheiden, lediglich unmittelbar rund um den Intimbereich ist der Stoff aufgrund der saugstarken Schichten etwas dicker.
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Eigentlich habe sie die Tage rund um die Menstruation immer gehasst. Es zwicke im Unterleib, und das Tamponwechseln sei lästig. Aber seit sie Periodenunterwäsche verwende, freue sie sich nahezu auf ihre Tage, so bequem seien die Produkte, schwärmt eine junge Frau in die Kamera.

Sie steht stellvertretend für eine Reihe von Influencerinnen, die seit einiger Zeit auf Social Media für Periodenunterwäsche werben. Auf Instagram und anderen Plattformen wurden die Höschen, die bis zu fünf Tampons ersetzen sollen, regelrecht zum Hype. Wer menstruiert und in sozialen Medien unterwegs ist, kommt an dem Thema nicht vorbei.

Gut so, finden manche. Endlich ein weiterer Schritt in Richtung Nachhaltigkeit bei Periodenprodukten, heißt es oft lobend. Das in manchen Periodenhosen enthaltene Silberchlorid könnte ein Gesundheitsrisiko darstellen, warnen andere. Eine Untersuchung der britischen Verbraucherorganisation Which? zeigte beispielsweise kürzlich, dass der hohe Silbergehalt in manchen Periodenpants gesundheitliche und ökologische Auswirkungen haben könnte.

Undurchsichtige Hersteller

Bei der Erdbeerwoche, einem Infoportal für Menstruation und nachhaltige Periodenprodukte, beobachtet man diesen Trend schon länger – seit fünf Jahren etwa, berichtet Bettina Steinbrugger. In den USA gebe es den Trend noch deutlich länger. 2016 hatte Steinbrugger bei einem Trip nach New York zum ersten Mal Berührungspunkte mit dem Thema. "Bei uns war da gerade erst die Menstruationstasse der neue Hype", erinnert sie sich.

Aber Periodenhöschen seien ein spannendes Produkt, dachte man bei der Erdbeerwoche. Und weil es damals hierzulande noch keine nachhaltig und in Europa produzierten Höschen gab, startete man kurzerhand selbst die Produktion. "Die erste Charge war sofort ausverkauft", berichtet Steinbrugger. "Mittlerweile ist der Trend zu Periodenhöschen also auch bei uns voll angekommen."

Seitdem sprießen die Hersteller von Menstruationsunterwäsche nur so aus dem Boden, beobachtet sie. "Dadurch ist es am Markt etwas unübersichtlich geworden. Und weil es eben ein derart starkes Trendprodukt ist, kommen auch viele billige Hersteller mit fragwürdiger Qualität dazu", kritisiert sie. Auch den Einsatz von Bioziden sieht sie kritisch.

Einfluss auf die Vaginalflora

Allen voran steht dabei das Silberchlorid im Fokus der Kritik. Das ist – wie der Name schließen lässt – eine Verbindung aus Silberionen und Chloridionen. "Es wird als sogenannte biozide Substanz eingestuft, das heißt es kann etwas abtöten. Bakterien etwa", erklärt Elisabeth Mertl. Sie ist Biotechnologin am unabhängigen Prüf- und Forschungsinstitut OFI und spezialisiert auf Medizinprodukte. Vor allem bei ebendiesen Medizinprodukten stößt man immer wieder auf Silberchlorid. Weil es Bakterien abtötet und dadurch die Infektionsgefahr sinkt, wird Silberchlorid etwa in Wundauflagen eingesetzt. Aber auch in Textilien findet man die Substanz, zum Beispiel in Sportbekleidung, um die von Bakterien verursachte Geruchsbildung einzudämmen.

Das Problem dabei ist aber: "Silberchlorid unterscheidet nicht, was es abtötet. Es wirkt nicht nur auf die bösen Bakterien ein, sondern eben auch auf gute Bakterien der Vaginalflora oder auf die Schleimhautzellen", sagt Mertl.

Forschende der US-amerikanischen Gesundheitsbehörde FDA haben herausgefunden, dass Nanosilber den Laktobazillus abtöten kann. Aber diese Bakterien helfen dabei, Infektionen zu bekämpfen, und sind dementsprechend essenziell für die Vaginalgesundheit. Wer also Periodenhosen verwendet, die mit Nanosilber behandelt sind, könnte ein höheres Risiko haben, schädlichen Bakterien ausgesetzt zu sein. Dadurch steigt die Gefahr von bakteriellen Infektionen und Komplikationen während der Schwangerschaft, schreibt man bei der FDA.

Elisabeth Mertl
Am Prüf- und Forschungsinstitut OFI forscht Elisabeth Mertl zur Sicherheit von Menstruationsprodukten.
OFI

Einerseits soll Silber also antibakteriell wirken, andererseits könnte es auch ein Gesundheitsrisiko bergen. Manche Hersteller schreiben sich groß auf die Fahnen, dass es bei ihren Produkten durch zugesetztes Silberchlorid nicht zu Geruchsentwicklung kommt. Andere hingegen werben damit, dass sie darauf verzichten. Was ist denn nun besser? "Das ist nicht so einfach", sagt Mertl. Am Ende sei es immer eine individuelle Nutzen-Risiko-Abschätzung. Silberchlorid kann helfen, das Risiko von Infektionen zu reduzieren. Das macht vor allem für all jene Sinn, die ohnehin anfällig für Infektionen sind. "Wenn man ohnehin nie Probleme mit Infektionen hat, kann man getrost auf Silberchlorid verzichten, um sich keinem etwaigen Risiko auszusetzen", rät sie.

Schwierige Forschung

Noch ist nämlich unklar, wie groß das davon ausgehende Gesundheitsrisiko tatsächlich ist. Es gehe ja schließlich nicht um die Frage, was in den Hosen enthalten sei, sondern vor allem darum, was davon rauskomme und was davon wiederum in den Körper gelange. "Und diese Fragen sind gar nicht so einfach zu beantworten", sagt Mertl. Noch dazu sei es nicht so einfach, im Labor dieselben Umstände herzustellen wie im Intimbereich einer Person, die schwitzt und in unregelmäßigen Abständen Menstruationsblut abgibt.

Am OFI wurde genau für die Erforschung dieser Thematik das Projekt LEIFS, das durch die Austrian Cooperative Research aus Mitteln des Bundesministeriums für Arbeit und Wirtschaft gefördert wird, ins Leben gerufen. Mit dem Forschungsprojekt will man die Risiken besser verstehen und eine "wissenschaftliche Basis für die Sicherheitsbewertung von Menstruationsprodukten schaffen", heißt es vonseiten des OFI. Umfangreiche Ergebnisse der Studien werden nächstes Jahr erwartet. Einen ersten Einblick kann Mertl aber jetzt schon geben: "Wir haben uns angeschaut, wie gut sich Silber herauslöst, also wie viel gelöstes Silber man in der Flüssigkeit findet, wenn man die Hose auswäscht. Das ist von Produkt zu Produkt unterschiedlich, aber schon eine nachweisbare Menge", berichtet sie.

Umweltschädliche Folgen

Zu ähnlichen Ergebnissen kam auch eine andere Untersuchung: Nach drei Waschgängen bei 40 Grad ist bereits die Hälfte des Biozids aus den Periodenhöschen ins Wasser entwichen, zeigt eine Erhebung des schwedischen Chemikalienamts KEMI. Das ist schädlich für die Umwelt, vor allem auf Wasserlebewesen habe das erhebliche negative Auswirkungen, warnt die Europäische Chemikalienagentur.

Aber ist es aus gesundheitlicher Perspektive dann nicht eigentlich ziemlich egal, ob beim Kauf des Produkts Silberchlorid enthalten ist, wenn es sich ohnehin verflüchtigt? Nicht ganz, sagt Mertl. Das zu beantworten sei "wirklich, wirklich schwierig". Das liegt auch daran, dass es keine einheitlich angewandte Technologie bei Periodenunterwäsche gibt. "Wir haben echt viel recherchiert, aber gefühlt verwendet jeder Hersteller eine andere Technologie. Beziehungsweise kann es auch sein, dass alle die gleiche Technologie verwenden und sie nur anders benennen. Es ist jedenfalls superundurchsichtig, und das macht die Forschung dazu so schwierig", sagt die Biotechnologin.

Ja, einen Teil der Menge werde man im Laufe der Zeit sicherlich auswaschen, und dadurch verändere sich der Effekt auf die Zellen. "Aber selbst wenn man ein Produkt ein Jahr lang regelmäßig wäscht, bleibt ein wenn auch geringerer Effekt dennoch bestehen."

Weiterer schädlicher Stoff

Und neben dem Silberchlorid wird auch noch eine zweite Substanz, die immer wieder in Periodenhöschen auftaucht, von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern kritisch beäugt: das Zinkpyrithion. Aus Herstellersicht hat es den Vorteil, dass es neben den Bakterien auch noch sehr stark auf Pilzzellen wirkt. "Es wurde deshalb sehr lange in unterschiedlichsten Produkten eingesetzt, um vor Infektionen zu schützen", berichtet Mertl.

Lange Zeit stand es auch häufig auf der Liste der Inhaltsstoffe von Haarshampoos. Vor allem in Antischuppenprodukten war es ein gern eingesetzter Wirkstoff. Mittlerweile ist der Einsatz in Shampoos verboten, weil es Hinweise auf Gesundheitsrisiken gibt. Zinkpyrithion steht im Verdacht, krebserregend zu sein.

"Ob eine Substanz tatsächlich eine Gefahr darstellt oder nicht, kommt allerdings immer darauf an, wie viel man davon aufnimmt", sagt Mertl. Zum Vergleich: Für Zinkpyrithion ist dieser Grenzwert dreißigmal kleiner als für Silberchlorid. "Wenn sich aus einem Produkt genauso viel Zink herauslöst wie Silberchlorid, wäre der Zinkwert also deutlich kritischer zu betrachten", erklärt sie.

Mehr Forschung und Transparenz nötig

Auf dem Gebiet sei jedenfalls noch viel Forschung nötig – und zwar auch vonseiten der Produzenten, betont Mertl. "Es kann nicht sein, dass nur der Konsumentenschutz diese Forschung macht. Eigentlich sollten die Herstellerfirmen daran interessiert sein, ihren Kundinnen viel mehr Informationen über die Wirkung ihrer Produkte zur Verfügung zu stellen."

Aber Menstruationsprodukte sind, anders als medizinische Produkte, nicht reguliert. Die Inhaltsstoffe und Materialien von Periodenprodukten müssen auf der Verpackung nicht ausgewiesen werden. "In der EU gibt es eine Gesetzeslücke", kritisiert auch Steinbrugger vom Portal Erdbeerwoche. Solange es noch keine Langzeitstudien gibt, wie die Biozide auf den Körper wirken, werde man daher bei der Erdbeerwoche-Periodenunterwäsche weiter auf den Einsatz von Silberchlorid verzichten. (Magdalena Pötsch, 18.3.2024)