Unter dem Namen "Skynet" (Mandarin: Tianwang) betreibt China das größte Videoüberwachungsnetzwerk der Welt. Wie viele Kameras im Einsatz sind, ist nicht bekannt. Die Schätzungen reichen aber laut "Economist" bis in den Bereich hunderter Millionen. Die "South China Morning Post" (SMCP) nennt eine Zahl von 600 Millionen, was rund einer Kamera pro zwei erwachsene Einwohner entsprechen würde.

Manche der Geräte sind in der Lage, 60 oder mehr Gesichter gleichzeitig zu erfassen, während bei den Behörden Systeme laufen, die 100 oder mehr Gesichter parallel per Datenbank erkennen können. Und wenn es nach der chinesischen Weltraumbehörde CNSA geht, dann soll es künftig derartige Überwachung auch in extraterrestrischer Form geben. Nämlich auf dem Mond.

Kleine Kameras sollen "verdächtige Ziele" tracken

Konkret geht es dabei um eine künftige chinesische Basis auf dem Erdtrabanten. "Die Konstruktion und Operation eines optischen Überwachungssystems für die (Internationale) Mond-Forschungsstation kann auf die erfolgreiche Erfahrung (...) mit Chinas Skynet-Projekt zurückgreifen", heißt es in einem jüngst im Journal "Acta Optica Sinica" veröffentlichten Paper. Mitverfasst wurde dieses von der chinesischen Akademie der Wissenschaften, der China Aerospace Science and Technology Corporation sowie der Universität Zheijang. Sie spielen eine wesentliche Rolle für die Erarbeitung technischer Standards und stehen auch federführend hinter Chinas Weltraumprogramm. Die Bezeichnung "Skynet" ist im Übrigen kein Verweis auf die bösartige KI der "Terminator"-Reihe, sondern bezieht sich auf ein altes chinesisches Sprichwort, in dem es um "omnipräsente Gerechtigkeit" geht.

Neben Forschungsabteilungen und Robotern soll Chinas künftige Mondbasis auch viele, viele Überwachungskameras beherbergen.
IMAGO/Michael Gstettenbauer

Das dargelegte Konzept sieht den Einsatz einer großen Menge an Kameras vor, die in der Lage sind, sichtbares Licht oder im Infrarotbereich aufzunehmen. Der Großteil von ihnen soll gerade einmal 100 Gramm wiegen und mit KI-gestützten Chips laufen. Die Geräte sollen über die Fertigkeit verfügen, sich selbst neu auszurichten, unabhängig "verdächtige Ziele zu identifizieren, zu orten und sie im Blick zu behalten". Geht die Verbindung zur Erde verloren, soll das System lokal weiter funktionieren. Werden "Abnormalitäten" entdeckt, solle das System "umgehend Alarmsignale erzeugen und angemessene Antwortmaßnahmen setzen". Wie solche Antwortmaßnahmen aussehen könnten, wird laut SCMP allerdings offengelassen.

Lückenlose Überwachung

Die Kameras sollen mit mehreren Missionen auf den Mond geschickt werden und sich automatisch so miteinander verbinden, sodass eine lückenlose Überwachung des Stationsareals gewährleistet ist. In "kritischen Arealen" sei womöglich eine durchgehende 360-Grad-Überwachung notwendig. Gleichzeitig könnten die Kameras auch verwendet werden, um hochauflösende Livestreams von Starts und Landungen von Raumschiffen aus verschiedenen Perspektiven auf die Erde zu schicken.

Die großen Datenmengen, die von den Kameras generiert werden und über die Kommunikationszentrale laufen sollen, könnten allerdings eine große Herausforderung werden. Auch hier will man vom bestehenden Skynet-System auf der Erde lernen, für das man bereits verschiedene Tricks und Technologien entwickelt hat. Eine starke Verschlüsselung soll den Datenabgriff verhindern, gleichzeitig will man trotz starker elektromagnetischer Interferenzen eine stabile Übertragung gewährleisten.

Die Mondbasis soll laut aktuellen Vorstellungen einen Radius von über sechs Kilometer haben und neben einem Kommandozentrum, einem Kraftwerk, einer Kommunikationszentrale und wissenschaftlichen Einrichtungen auch eine große Flotte an Robotern beherbergen. Geplant sind außerdem stationseigene Satelliten für Erkennungs-, Navigations- und Kommunikationszwecke. Gebaut werden soll sie in der Südpolregion des Mondes, wo auch die USA die Errichtung einer Basis anstreben. (gpi, 15.3.2024)