Lange Zeit hielt man die Menopause für eine ausschließlich menschliche Angelegenheit. Der Verlust der Fruchtbarkeit erscheint auf den ersten Blick in evolutionärer Hinsicht auch nicht besonders sinnvoll. Doch in den vergangenen Jahren stellte man verblüfft fest, dass auch Orca-Weibchen sowie weitere vier Walarten nach einigen Jahrzehnten in den Wechsel kommen. Auch bei Schimpansen gibt es mittlerweile Hinweise darauf, dass ihre Weibchen lange über ihr reproduktives Alter hinaus leben können.

Aber warum? Wissenschafterinnen und Wissenschafter haben lange darüber gerätselt, welchen Zweck überhaupt eine natürliche Menopause erfüllt. Eine aktuelle Studie könnte darauf nun zumindest für die Wale eine Antwort gefunden haben: Nach dem Verlust der Fortpflanzungsfähigkeit tragen die älteren Weibchen durch ihre Hilfe bei der Aufzucht der Jungen maßgeblich zum Überleben der eigenen Familie bei. Ähnliche Hintergründe könnten auch für die Menopause beim Menschen eine Rolle spielen.

Orcas, Jungtier
Schwertwale gehören zu den wenigen bekannten Spezies auf der Erde, deren Weibchen in den Wechsel kommen. Vermutlich hilft dieser Umstand den Tieren dabei, dass sie sich, vom Fortpflanzungsdruck befreit, mehr um die Enkel kümmern können.
Foto: AP/NOAA Fisheries/Vancouver Aquarium

"Großmutter-Hypothese"

Die im Fachjournal "Nature" veröffentlichte Ergebnisse untermauern eine Theorie, die schon länger diskutiert wird: Laut der "Großmutter-Hypothese" stellen die Weibchen die Fortpflanzung ein, um ihren Kindern und Enkeln zu helfen. Dies würde den Weibchen indirekt helfen, ihre Gene weiterzugeben, indem sie das Überleben ihrer Enkelkinder erhöhen, ohne mit ihren eigenen Töchtern und Schwestern zu konkurrieren.

Zur Entstehung der Menopause gibt es mehrere Ideen. Eine davon ist die sogenannte Langlebigkeitshypothese, wonach die Tiere im Laufe der Zeit einfach länger leben, während ihre Fortpflanzungszeit gleich bleibt. Zahnwale sind ein interessanter Testfall für diese Erklärung, da sich die Menopause dort mehrfach unabhängig voneinander entwickelt hat.

Mit Menopause ein langes Leben

"Mit dieser Studie wollten wir diese wiederholte evolutionäre Entwicklung nutzen, um einige allgemeine Fragen darüber zu stellen, wie und warum sich die Menopause entwickelt", sagt Sam Ellis, Psychologe an der Universität von Exeter (Großbritannien) und Hauptautor der Studie. Um verschiedene Theorien zu testen, untersuchten die Forschenden Daten, die von Generationen von Wissenschafterinnen und Wissenschaftern gesammelt worden waren. Sie lieferten die Grundlage dafür, die Lebensgeschichten, die Gesamtlebensdauer und die Fortpflanzungsdauer möglichst vieler Zahnwalarten zu rekonstruieren.

Orcas, Jungtiere
Durch die Menopause können ältere Orca-Weibchen durch Fürsorge und Wissensvermittlung für bessere Überlebenschancen bei ihren Nachkommen sorgen.
Foto: David Ellifrit, Center for Whale Research

Im Anschluss verglich das Team um Ellis diese Daten von Arten, die eine Menopause durchlaufen, mit jenen der Arten, die keinen Wechsel kennen. Dabei zeigte sich, dass die Weibchen der fünf Zahnwalarten, die eine Menopause aufweisen, etwa 40 Jahre länger leben, als es von Arten mit einer solchen Größe zu erwarten wäre, während die Fortpflanzungszeit den Annahmen weitgehend entspricht. Diese Resultate stützen die Hypothese vom "langen Leben".

Mehr Zeit für die Nachkommen

Die Forschenden zeigten auch, dass die Weibchen von Arten mit Wechseljahren dank ihres längeren Lebens viel mehr Zeit mit ihren Nachkommen verbringen können – ein Beleg dafür, dass Großmütter auch bei Walen eine wichtige Rolle bei der Unterstützung der nächsten Generationen spielen. Da sich ältere Weibchen nicht mehr fortpflanzen, treten sie außerdem nicht in Konkurrenz zu ihren eigenen Familienmitgliedern.

Zusammengenommen deuten die Ergebnisse darauf hin, dass "die verlängerte postreproduktive Lebensspanne das Ziel der Evolution war – sie ist eine Strategie", so Ellis. Ob sich das auch auf den Menschen übertragen lässt, ist freilich unklar. "Immerhin aber lieferte die Studie Beweise dafür, dass es sowohl bei Walen als auch bei uns Menschen einen parallelen Weg gibt, auf dem sich die Menopause entwickelt", sagte Ellis. (Thomas Bergmayr, 17.3.2024)