Ausschau nach dem Mond bei der Al-Aksa-Moschee am Sonntagabend. Das Auftauchen der Sichel sollte den Beginn des Ramadan markieren.
AP/Mahmoud Illean

Bilder von Polizeigewalt in Jerusalems Altstadt gingen am Montag, dem ersten Tag des islamischen Fastenmonats Ramadan, in pro-palästinensischen sozialen Medien viral. Auf den Videos sieht man israelische Polizisten, die Gläubige gewaltsam zurückdrängen, teils mit Stößen, teils mit Knüppeln.

Augenzeugen berichten von chaotischen Zuständen: Niemand schien zu wissen, welche Kriterien für den Einlass zur Al-Aksa-Moschee galten. Gruppen von Gläubigen seien in der Altstadt von Eingang zu Eingang gerannt, um bei der jeweiligen Polizeischleuse ihr Glück zu versuchen, weil sich bald herumsprach, dass es keine einheitlichen Regeln gibt.

Eigentlich hatte die Regierung freien Zutritt zur Moschee verkündet. Letztlich wurden aber selbst israelische Staatsbürger abgewiesen. An der hohen Zahl der Gläubigen kann es nicht liegen, zumal die großen Massen an Muslimen erst für die zweite Wochenhälfte erwartet werden.

Die Empörung über die Videos war groß. Der Tenor der Postings: Israel gehe gegen die Palästinenser überall mit Gewalt vor – ob in Gaza oder in Jerusalem. Die Hamas hatte ihren Überfall auf Israel und die beispiellosen Raketenangriffe nicht umsonst "Operation Al-Aksa-Flut" genannt: Die Terrorgruppe sieht Jerusalem und Gaza als Teil ein und derselben Kampfarena. Vor dem Ramadan hatten Hamas-Führer die Palästinenser im Westjordanland und israelische Araber zur Eskalation aufgerufen.

Hart in Gaza, locker in Jerusalem

Israels Geheimdienste und die Armee reagierten darauf mit einer bewussten Trennung der Fronten: hartes Vorgehen in Gaza hier, relativ offene Schleusen hingegen in Jerusalem. So kam es, dass Polizeiminister Itamar Ben Gvir mit seinem Bestreben, einen großen Teil der Palästinenser im Westjordanland und selbst israelische Muslime an der Reise nach Jerusalem zu hindern, den besonnenen Stimmen unterlag.

Israels Inlandsgeheimdienst Shin Bet hatte sich für eine "maximale Zugangsfreiheit" für Gläubige zur Al-Aksa-Moschee ausgesprochen. Auch das ist in Relation zu sehen. Für Muslime im Großraum Jerusalem, die hinter der Sperrmauer zum Westjordanland leben, gilt die Regel: Nur wer über 55 Jahre alt ist – für Männer gilt die 60-Jahre-Grenze – darf hinein. Dasselbe gilt für alle anderen Palästinenser im Westjordanland. Die überwiegende Mehrheit der Palästinenser ist also vom Zutritt zur Moschee ausgeschlossen.

Dass die Polizei in Jerusalem in den Abendstunden des Sonntag die Nerven wegschmiss, mag ein Zeichen der Überforderung sein. Regierungskritiker in Israel werten es jedoch als Machtdemonstration des rechtsextremen Ministers Ben Gvir gegenüber den moderateren Stimmen in der Regierung. Die Polizei selbst gab am Montag nur eine vage Erklärung ab: Man tue alles, um "freie Religionsausübung am Tempelberg zu ermöglichen und zugleich Sicherheit zu gewährleisten, immer in Abstimmung mit der politischen Führung".

Kampf um Daseinsberechtigung

Der Tempelberg ist die wichtigste heilige Stätte des Judentums, zugleich gilt die dortige Al-Aksa-Moschee als drittwichtigstes Heiligtum des Islam. Fundamentalisten auf beiden Seiten setzen viel daran, der jeweiligen Gegenseite die Daseinsberechtigung auf dem Gelände abzusprechen. Auf israelischer Seite sitzen diese Fundamentalisten seit 15 Monaten zudem in der Regierung.

Der geplante See-Hilfskorridor von Zypern nach Gaza verzögerte sich indes. Die NGO World Central Kitchen, eine Partnerorganisation des Hilfskorridors, erklärte am Montag, dass die Schiffe entgegen allen Plänen nicht am Sonntag ablegen konnten. Grund dafür seien "diplomatische Angelegenheiten". Israels Außenministerium gab dazu bislang keine Stellungnahme ab. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 11.3.2024)