Illustration Mädchen mit Buch in der Hängematte, mitten in der Natur
Ein Lob dem Müßiggang: Ab und zu Nichts tun und Tagträumen ist wichtig für die Erholung. Gönnt man sich das, meistert man anstrengende Phasen viel besser.

Man rennt dahin in seinem Radl, Arbeit, Familie, vielleicht noch Weiterbildung, dazu Freunde treffen, Kultur, Sport. Läuft eigentlich ganz gut. Klar, es ist alles ein bisschen viel, aber man schaukelt das schon. So geht es vielen. Und es funktioniert auch – bis es irgendwann nicht mehr läuft, womöglich sogar recht abrupt. Man hat das Gefühl, nichts geht mehr, die eigenen Ressourcen sind erschöpft.

Hätte man das kommen sehen müssen, fragt man sich dann. Hat man seine Reserven überschätzt? Ja und nein. Es gibt natürlich Anzeichen dafür, dass man Raubbau an sich selbst betreibt. Doch die sind nicht immer so einfach zu sehen, vor allem, wenn man sich keine Zeit dafür nimmt, hinzuschauen.

Prinzipiell ist der Mensch ein ausdauerndes Wesen, sowohl die körperlichen als auch die psychischen Ressourcen sind bei den meisten stark belastbar – zumindest über einen abgesteckten Zeitraum. Wir sind dafür gemacht, Stressphasen gut zu stemmen. "Doch ist der Stress permanent, lebt man immer am eigenen Limit, ohne Pause, kann das Gerüst irgendwann unter dem ständigen Druck zusammenbrechen", weiß die Psychotherapeutin Marlene Huemer.

Nicht aus heiterem Himmel

Dafür kann es mehrere Auslöser geben. Einer ist chronischer Stress, nie vorhandene Pausen, permanentes Grenzen-Ausreizen. Kommen dann noch Stressoren dazu wie schlechte Wohnsituation, schwieriges Arbeitsumfeld oder finanzielle Engpässe, erhöht das den Druck weiter. Huemer betont: "Wenn man jeden Monat zittern muss, ob man am Ende die Rechnungen noch bezahlen kann, schmälert das natürlich die prinzipiell vorhandenen Ressourcen. Und irgendwann kann daraus eine Depression entstehen."

Dabei kommt ein Zusammenbruch im Grunde nie aus heiterem Himmel – auch wenn es oft so scheint. "Da gibt es immer schon ein Grunderschöpfung, die man auch spürt, zum Beispiel weil man immer antriebsloser wird oder sich schwertut, sich über etwas zu freuen", weiß Huemer. Nicht wenige ignorieren solche Anzeichen aber.

Ebenso können unerwartete Ereignisse alles aus dem Ruder laufen lassen – auch bei jenen Menschen, die an sich alles gut im Griff haben: "Ein Unfall, eine unerwartete Krankheit, wenn man Gewalt erfährt, ein Todesfall oder eine schwierige Trennung können auch ein an sich wohlgeordnetes Leben aus der Bahn werfen."

Der einfachste Weg, diese Erschöpfung zu erkennen, ist wohl über den Körper. Gerade Menschen mit hohem Leistungswillen wollen etwa auch sportlich performen. "Nicht wenige machen nach einem anstrengenden Arbeitstag noch ein intensives Workout, sei es ein Krafttraining, eine Runde Boxen oder ein harter Intervalllauf", weiß der Sportwissenschafter Michael Koller.

Erschöpfung statt Erholung

Alles kein Problem – solange man sich danach gut und entspannt fühlt. "Aber man darf dabei Erholung nicht mit Erschöpfung gleichsetzen. Wenn man nach so einem Training völlig erledigt auf die Couch sackt, ist das ein klares Zeichen dafür, dass es zu viel war." Mit diesen intensiven Reizen wird nämlich permanent der Kampf-oder-Flucht-Reflex aktiviert. "Aber das parasympathische Nervensystem, das für die Entspannung zuständig ist, kommt nicht mehr zum Zug", sagt Koller.

Weitere körperliche Warnsignale für so eine Überforderung: Wenn der Appetit aus dem Gleichgewicht gerät, sowohl zu wenig Appetit als auch Heißhungerattacken sind solche Anzeichen. Wenn gesundheitliche Parameter wie Verdauung oder Blutdruck aus dem Ruder laufen. Und vor allem wenn der Schlaf nicht mehr passt, sind sich Koller und Huemer einig: "Wenn man über längere Zeit am Abend sehr lange braucht, um einzuschlafen, wenn man nicht mehr durchschläft oder man sich am nächsten Tag alles andere als erholt fühlt, dann sollte man dringend genauer hinschauen."

Doch man kann die eigenen Ressourcen auch stärken, am besten, indem man ständig kleine Impulse setzt. Auf die kann man dann auch in Lebensphasen zugreifen, die einen an die eigene Leistungsgrenze treiben. Koller betont: "Sport ist immer gut. Aber man muss eben den passenden machen." Statt sich noch weiter auszupowern, empfiehlt er sanfte Bewegung, die aktiviert, aber nicht erschöpft. "Ein flotter Marsch durch die Natur, ein lockerer Radausflug oder auch regelmäßige Yogaeinheiten", sagt der Sportwissenschafter. Und meint damit eher Entspannungsyoga, keine neuen Fitnesshöchstleistungen.

Die Wichtigkeit der Natur betont auch Psychotherapeutin Huemer: "Die frische Luft, das Grün, die entspannte Bewegung, all das hilft, das innere Entspannungssystem anzukurbeln."

Dreieck mit Basis

Die richtige Balance kann man finden, indem man sich ein Dreieck und seine drei Ecken vorstellt, sagt Huemer: "Das obere Eck steht für den Stress und die Anforderungen im Leben, die unteren Ecken, auf denen das Dreieck ruht, symbolisieren den Ausgleich. Auf der einen Seite Sport, Treffen im Freundeskreis, Kulturevents und ähnliche Freizeitaktivitäten. Es braucht aber noch das dritte Eck, Zeit für Erholung und Müßiggang."

Schafft man es, diese Balance auf täglicher Ebene zu halten, ist bereits viel gewonnen. Huemer sagt: "Wir neigen oft dazu, uns um alles andere zu kümmern. Aber man hat auch sich selbst gegenüber eine Verantwortung. Diese Selbstfürsorge hilft, die eigenen Bedürfnisse besser zu verstehen."

Bleibt die Frage, warum manche es schaffen, gefühlt 17 Bälle gleichzeitig in der Luft zu halten, während andere womöglich bei drei oder vier am Limit sind. "Nicht jeder Mensch hat die gleichen Grundressourcen, manche haben einfach mehr Energie als andere, so wie man unterschiedliche Augen- und Haarfarben hat", stellt Huemer klar. "Man ist da gut beraten, sich nicht zu vergleichen, da steigt man sehr oft schlecht aus. Es darf sein, dass man bei etwas schneller erschöpft ist als andere."

Deshalb sei es umso wichtiger, eine gute Beziehung zu sich selbst zu pflegen, zu lernen, auch Nein zu sagen bei Begehrlichkeiten und Erwartungen von außen, und die eigenen Grenzen zu respektieren. Sicher keine so einfache Aufgabe, immerhin will man ja auch entsprechen – doch wenn man kleine Schritte setzt und immer wieder versucht, diese Bedürfnisse umzusetzen, kann man langfristig die eigenen Ressourcen ausschöpfen, ohne sie zu überfordern. (Pia Kruckenhauser, 16.3.2024)