Israelische Sicherheitskräfte überwachten am Samstag die Straßen in der Altstadt von Jerusalem, während muslimische Frauen ihre Einkäufe für den Ramadan erledigten.
Israelische Sicherheitskräfte überwachten bereits am Samstag die Straßen in der Altstadt von Jerusalem, während muslimische Frauen ihre Einkäufe für den Ramadan erledigten.
IMAGO/DEBBIE HILL

Im Ramadan soll niemand hungrig schlafen gehen", erklärt Raja, ein Palästinenser aus Jerusalem, der für seine Familie nahe dem Damaskustor Datteln, Nüsse und Tamarindensaft einkauft. Was aber, wenn alle hungern, wie in Gaza? "Es ist schwer für uns, die Menschen in Gaza leiden zu sehen und nichts tun zu können, um zu helfen", sagt Raja. "Alles hängt ja von Israel ab."

Das mussten auch ein paar Dutzend Israelis feststellen, als sie am Donnerstag in Richtung der Grenze zu Gaza aufbrachen, ihre Autos vollbepackt mit Konserven, Reis, Babywindeln und Medikamenten. Die Organisation, eine gemeinsame Initiative von Juden und Arabern, wollte selbst etwas gegen den Hunger in Gaza tun und startete einen Hilfskonvoi zum Grenzübergang Kerem Schalom. Dort wurden sie jedoch von der Armee gestoppt.

Zugang zum Gebet

Der Ramadan ist auch für die israelischen Sicherheitskräfte eine besondere Zeit, sie sind in höchster Alarmbereitschaft. Jedes Jahr im Ramadan kommen mehrere Hunderttausend Palästinenser nach Jerusalem, um in der Al-Aksa-Moschee zu beten. Es sind nicht nur israelische Araber, sondern auch Muslime aus dem Westjordanland und – wenn nicht wie heuer die Grenzen geschlossen sind – sogar Gläubige aus Gaza. Für den Besuch der Al-Aksa erhalten sie von der israelischen Armee eine spezielle Grenzübertrittserlaubnis.

In diesem Jahr hatte sich Israels Minister für Nationale Sicherheit, der rechte Scharfmacher Itamar Ben-Gvir, für strenge Zugangsbeschränkungen ausgesprochen. Er wollte sogar junge Israelis muslimischen Glaubens daran hindern, nach Jerusalem zu fahren – aus Sicherheitsgründen, wie er sagte. Die Geheimdienste sahen das ganz anders. Sie hielten solch strikte Maßnahmen im Ramadan für eine tickende Bombe: Der Konflikt drohe dann auch auf die arabischen Städte in Israel überzugreifen, befürchteten sie. Das Kriegskabinett ließ sich davon überzeugen.

Tausende Polizisten sind nun in Jerusalem an Brennpunkten stationiert. Alle wissen: Es reicht ein Funke, um einen Brand zu entfachen. Ein steinewerfender Palästinenser auf dem Tempelberg etwa, der dort einen israelischen Polizeieinsatz auslöst, der dann wiederum von der Hamas als "Krieg gegen unsere heilige Al-Aksa" verkauft wird – und schon marschieren wutentbrannte Massen auf den Straßen von Hebron und Jenin. Israels Militär zeigte im Westjordanland schon in den vergangenen Monaten wenig Zurückhaltung, die Waffen sitzen lockerer als zuvor, immer wieder sterben dabei auch Kinder. Das wiederum treibt den Terrorgruppen willige Kämpfer in die Arme.

In Gaza sterben indes immer mehr Menschen an Unterernährung, weil die Hilfslieferungen bei weitem nicht ausreichen, um den Bedarf zu decken. Die EU hat Israel wiederholt aufgerufen, weitere Grenzübergänge zum Gazastreifen zu öffnen, um Lieferungen zu den Bedürftigen im Norden Gazas bringen zu können – bisher vergeblich.

Nachdem nun auch US-Präsident Joe Biden mit seinem Plan, bis Ramadanbeginn einen neuen Geiseldeal zu erreichen, gescheitert war, zerschlugen sich die Hoffnungen auf eine baldige Waffenruhe. Die USA und die EU greifen jetzt zu anderen Mitteln, um die humanitäre Hilfe aufzustocken: Auf dem Seeweg werden von Zypern aus Hilfslieferungen zum israelischen Hafen Ashdod und von dort aus weiter nach Gaza gebracht.

Schwimmender Hafen

Die USA sind bereit, viel Geld in den Bau eines schwimmenden Hafens im Süden des Gazastreifens zu stecken, damit dort Hilfsschiffe anlegen können. Die Errichtung des rund 500 Meter langen Piers wird laut unbestätigten US-Angaben aber rund zwei Monate dauern, der Seekorridor via Zypern steht hingegen schon jetzt bereit.

Wie die maritimen Transporte in Gaza andocken und dort verteilt werden sollen, blieb vorerst aber unklar. Laut Kritikern ist das Programm wenig durchdacht: Schon bei den Landtransporten führen Chaos, Bandenkriminalität und die wachsende Verzweiflung der Hungernden dazu, dass die Hilfslieferungen oft gestürmt werden, bevor sie ihr Ziel überhaupt erreichen können. (Maria Sterkl aus Jerusalem, 10.3.2024)