Als am Montag mehrere Telekomfirmen eine Störung ihrer Datenströme im Roten Meer meldeten, fiel der Verdacht in den sozialen Medien sogleich auf die Huthi-Rebellen. Schon seit Wochen wird gemutmaßt, die Aufständischen, die die Bevölkerungszentren des Jemen kontrollieren, könnten einen Angriff auf die Unterwasserkabel vor ihrer Küste planen.

Die jemenitischen Rebellen greifen seit November regelmäßig internationale Schiffe im Roten Meer an – aus Protest gegen Israels Krieg im Gazastreifen. Am Donnerstag wurden bei einem ihrer Angriffe erstmals drei Seeleute getötet. Im Dezember war zudem eine Karte der Kabel im Roten Meer in einem Huthi-nahen Telegram-Account aufgetaucht. Auch die heimischen Gegenspieler der Huthis, die international anerkannte jemenitische Exilregierung rund um den neuen Premier Ahmed Awad bin Mubarak, warnte vor einem entsprechenden Vorhaben der Huthis.

Das Gros des weltweiten Internetverkehrs läuft durch auf dem Meeresgrund verlegte Kabel – unter anderem auf dem Grund des Roten Meeres, derzeit ein heikler Nebenschauplatz des Nahostkonflikts.
REUTERS/Lucas Jackson

Doch für diese Theorie gibt es bis dato keine Bestätigung. Die Huthis selbst verneinen, die Internetkabel angegriffen zu haben. Belege, die dem Dementi widersprechen, gibt es auch noch keine.

Drei Kabel durchtrennt

Bestätigt ist lediglich, dass drei Unterseekabel (genannt Asia Africa Europe-1, Europe India Gateway und Seacom/Tata TGN-Eurasia) vor rund zehn Tagen – konkret am 24. Februar – durchtrennt worden sind. Das hatten am Montag unter anderem der Telekomanbieter HGC Global Communications aus Hongkong und die Firma Seacom aus Südafrika gemeldet. Die Störung sei vor der Küste des Jemen lokalisiert und die betroffenen Datenströme sogleich auf andere Wege umgeleitet worden. Davon betroffen waren demnach rund 25 Prozent des Internetverkehrs, der durch die Unterseekabel im Roten Meer verläuft. Dies hätte zwar in keinem Land zu Totalausfällen geführt, jedoch den Internetverkehr in Indien, Pakistan und Teilen Ostafrikas spürbar beeinträchtigt, sagte die Firma Kentik, die Netzwerkaktivitäten beobachtet, dem "Wall Street Journal" gegenüber. Seacom meldete zudem Probleme beim Datentransfer zwischen Südafrika, Ostafrika und Europa.

Durch das Rote Meer werden insgesamt 90 Prozent der Datenströme von Asien nach Europa durchgeleitet. Diese Kabel sind also äußerst wichtig. Grund zur Panik gebe es aber keinen, meinen die Experten von "TeleGeography". Im Roten Meer sind demnach insgesamt 14 Glasfaserkabel verlegt. Wenn also drei ausfallen, sind immer noch elf intakt. Außerdem gibt es auch andere Wege, um Datenströme rasch umzuleiten – etwa durch Kabel, die rund um das Kap der Guten Hoffnung in Südafrika in Richtung Europa verlaufen.

Karte von Unterwasserkabeln im Roten Meer.
Auf der "Submarine Cable Map" kann man sich die Kabelverbindungen vor dem Jemen genauer ansehen.
Submarine Cable Map

"TeleGeography" warnt auch davor, voreilige Schlüsse zu ziehen. Immerhin würden weltweit pro Woche rund zwei Unterwasserkabel beschädigt – die Gründe dafür seien vielfältig. Es sei möglich, dass der Anker eines Frachters die Unterwasserkabel vor dem Jemen beschädigt habe. Das sei die zweitgrößte Unfallursache bei Unterwasserkabeln neben Fischfang, etwa mit Metallnetzen.

Dennoch seien die Angriffe der Huthis auf die internationale Schifffahrt durchaus eine Gefahr für die Telekominfrastruktur im Roten Meer. Versunkene Schiffe, wie jüngst die Rubymar, könnten Unterseekabel beschädigen. Außerdem würden Huthis mit ihren Angriffen die Reparatur und Neuverlegung von Unterwasserkabeln beziehungsweise die Entsendung von Reparaturschiffen erschweren, so "TeleGeography". Nicht zuletzt, weil durch die Angriffe die Versicherungsprämien für entsprechende Vorhaben extrem in die Höhe geschossen seien. Das betrifft auch zwei Kabel, die derzeit von Partnerfirmen der Tech-Giganten Google und Facebook im Roten Meer verlegt werden.

CNN berichtet unter Berufung auf Seacom, dass mit den Reparaturen vor der Küste des Jemen frühestens in einem Monat begonnen werden könne – unter anderem, weil es so lange dauere, Genehmigungen der von der Huthi-Miliz kontrollierten Schifffahrtsbehörde zu bekommen.

Enorme Wege ohne Schutz

Sorgen um die fragile und zugleich kritische Internetinfrastruktur im Roten Meer sind also keineswegs unbegründet. Der jüngste Vorfall zeigt einmal mehr, dass die Achillesferse des Internets unter Wasser liegt. Rund 95 Prozent des weltweiten Internetverkehrs laufen durch auf dem Meeresgrund verlegte Kabel und nicht etwa via Satellit, wie oft angenommen. Im Jahr 2022 waren es weltweit rund 500 Kabel mit einer Gesamtlänge von rund 1,3 Millionen Kilometern, Tendenz steigend.

Enorme Kabelmengen also, die größtenteils ungeschützt auf dem Grund der Meere liegen. Dass man in Kriegszeiten mögliche Angriffe fürchtet, ist angesichts dessen also auch nicht ganz unberechtigt. Immer wieder gab es etwa Befürchtungen (unter anderem in der Nato), Russland könnte Unterseekabel angreifen, oder die Kabel könnten Ziel von Spionageangriffen werden. Unter Experten ist die Gefahr für solche Angriffe jedoch umstritten: Für Datenströme gibt es laut der US-Medienexpertin Nicole Starosielski genügend andere Wege, sodass ein Angriff auf ein Kabel kaum Folgen hätte. Nach Angaben von Manuel Atug, einem Experten für kritische Infrastruktur, könnte die Zerstörung mehrere Datentrassen jedoch sehr wohl zu gelegentlichen Ausfällen führen.

Totalausfall

Auch ein vom EU-Parlament beauftragtes Forscherteam hatte im Juni 2022 auf bestehende Missstände beim Schutz von Glasfaserseekabeln hingewiesen. Experten von der US-Denkfabrik Atlantic Council forderten erst im Jänner 2024 in einem Artikel ebenfalls einen besseren Schutz der Kabel. Jedoch schrieben sie auch, dass die hochtechnologische Ausrüstung, die nötig sei, um Unterwasserkabel in den Tiefen des Meeres zu zerschneiden extrem teuer und für nichtstaatliche Gruppen und Milizen wohl kaum leistbar sei. Eingehüllt in Kupfer, über das der Strom fließen kann, sind die Leitungen durch Teer, Kunststoff und Stahl wasserdicht verstärkt. Nur wenige Staaten, etwa China und Russland, hätten entsprechend ausgerüstete U-Boote. Auch das spricht wohl eher gegen einen Unterwasserangriff der Huthi-Miliz.

Wirklich hart treffen Kabelausfälle vor allem weniger redundant versorgte Teile der Welt. Anfang 2022 erwischte es etwa die Pazifikinsel Tonga, deren einziger Zugang zum Internet – ein Unterseekabel – durch einen Vulkanausbruch lahmgelegt wurde. Es dauerte über einen Monat, bis das zerstörte Kabel repariert wurde. Auch die taiwanesische Insel Matsu vor China erlebte im Vorjahr einen Internettotalausfall, nachdem zwei Tiefseekabel beschädigt worden waren. Damals machten viele Taiwanesen Peking dafür verantwortlich, das auf einen Anschluss Taiwans an das chinesische Festland notfalls auch mit Gewalt besteht. (Flora Mory, Alexander Amon, 7.3.2024)