Noch vor der Veröffentlichung eines Berichts über sexuelle Gewalt durch die Angreifer vom 7. Oktober hat sich bei der Uno ein neuer Konflikt entsponnen. Israels Außenminister Israel Katz warf den Vereinten Nationen am Montagabend via X vor, die Erkenntnisse der Kommission, die von der Sondergesandten Pramila Patten geführt wurde, zu verschweigen. Der israelische UN-Botschafter Gilad Erdan sei deshalb mit sofortiger Wirkung zu Konsultationen in seine Heimat berufen worden. Er forderte, der UN-Sicherheitsrat solle sich dringend mit der Sache befassen und die Hamas zur Terrorgruppe erklären.

Pramila Patten, Sondergesandte der UN, hat ihren Bericht über die Angriffe vom 7. Oktober fertiggestellt.
IMAGO/Eskinder Debebe/UN Photo

Das wiederum dementierte die Uno eilig. Sprecher Stéphane Dujarric teilte mit, Generalsekretär António Guterres habe sowohl die Ermittlung des Teams voll unterstützt als auch dessen Bericht. Es gebe keinerlei Bemühungen, diesen geheim zu halten. Er sollte am Dienstag auch offiziell präsentiert werden. Israels Präsident Yitzhak Herzog sagte dann Dienstagvormittag, ebenfalls via X, der Bericht sei von "immenser Bedeutung" und von "moralischer Klarheit" getragen.

Inhalt des Papiers (.pdf) sind die Ergebnisse von 33 Treffen mit israelischen Offiziellen und der Sichtung von 5000 Fotos und mehr als 50 Stunden Video. Fazit: Man habe "klare und überzeugende Informationen über sexuelle Gewalt, darunter Vergewaltigung, sexualisierte Folter, grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung". Diese hätten sich an mehreren Orten ereignet, weshalb ein systematischer Einsatz denkbar scheine. Sie betreffe die Opfer des Terrors vom 7. Oktober, aber auch die Geiseln. Es stehe zu befürchten, dass auch jene, die sich derzeit noch in der Gewalt der Hamas befänden, von ähnlichen Angriffen betroffen seien.

Debatte in US-Medien

Die Veröffentlichung trifft einen sensiblen Moment in der Debatte darüber, was am 7. Oktober geschehen ist. Die Onlineplattform "The Intercept" hat vor wenigen Tagen eine Geschichte veröffentlicht, in der sie der "New York Times" vorwirft, bei einem aufsehenerregenden Bericht im Dezember über die Angriffe nicht die üblichen Faktenchecks durchgeführt zu haben und in Teilen zum Ziel israelischer Propaganda geworden zu sein.

Das Medium insinuiert dabei auch, das Ausmaß der Angriffe sei geringer gewesen als berichtet – musste aber wenig später selbst zahlreiche Korrekturen veröffentlichen. Die "New York Times" wiederum hat ebenfalls Korrekturen ihrer Berichte veröffentlicht, betonte aber, dass man weiterhin zum Inhalt der Berichte stehe. Auch hatte keineswegs nur die "NYT", sondern auch andere Medien, darunter das "Wall Street Journal" und die BBC, ähnliche Berichte veröffentlicht.

Im UN-Bericht heißt es auch, dass man zwar zahlreiche Belege gesehen habe, aber "trotz intensiver Bemühungen" keine Zeugenaussagen von Betroffenen habe aufnehmen können. Nicht alle Vorwürfe hätten sich bei den Nachforschungen bekräftigen lassen – in einigen Fällen, weil nicht ausreichend Bildmaterial zur Verfügung stehe, in anderen, weil die Vorwürfe entkräftet worden seien. Für Berichte über Genitalverstümmelung habe man "kein systematisches Muster" bestätigen können.

Übergriffe auf Palästinenser

Das UN-Team ging auch Berichten über sexuelle Gewalt gegen Palästinenserinnen und Palästinenser in israelischer Haft nach. Hier habe man keine Belege für Vergewaltigungen finden können, allerdings für "unerwünschte Berührungen intimer Körperteile" und erzwungene Nacktheit, etwa bei Kontrollen und an Checkpoints. Der israelische Sprecher Lior Hayat wies diesen Teil des Papiers laut einem Bericht der BBC zurück und sprach von "einem palästinensischen Manöver, um eine unerträgliche Gleichwertigkeit" mit den Verbrechen der Hamas herzustellen. (mesc, 5.3.2024)