Bei den Verhandlungen über eine Feuerpause im Krieg zwischen Israel und der Terrororganisation Hamas in Kairo hat es laut dem ägyptischen Staatsfernsehen am Wochenende einen "bedeutenden Fortschritt" gegeben. Am Montag wurden die Gespräche fortgesetzt. In erster Linie geht es um eine Waffenruhe vor Beginn des Ramadan. Einige Details und Hindernisse sind bereits bekannt. Versuch einer Einordnung als Frage und Antwort.

Die Kämpfe gehen weiter. Die Situation für die Zivilisten ist katastrophal.
IMAGO/Saher Alghorra

Frage: Worum geht es in den Verhandlungen genau?

Antwort: Die Waffenruhe soll ermöglichen, dass alle in der Gewalt der Hamas verbliebenen 134 israelischen Geiseln freikommen. Das israelische Kriegskabinett um Premierminister Benjamin Netanjahu hat ja Pläne für eine Ausweitung der Kampfhandlungen in Form einer Großoffensive auch im Süden des Gazastreifens um die Stadt Rafah. Denn laut Israel ist Rafah Unterschlupf zahlreicher Hamas-Terroristen. In Rafah leben allerdings derzeit auch rund 1,5 Millionen Palästinenser. Sogar die verbündeten USA drängen Israel unüblich deutlich zur Zurückhaltung. Der Ramadan beginnt am Abend des 10. März und endet am Abend des 9. April.

Frage: Was ist bisher an abgestimmten Vereinbarungen bekannt?

Antwort: Verhandelt wird derzeit unter Vermittlung Ägyptens, Katars sowie der USA in Kairo. Israel beteiligt sich nur indirekt. Man hatte sich in der vergangenen Woche bereits auf Rahmenbedingungen für eine Feuerpause geeinigt. Eine Reihe von israelischen Geiseln sollte gegen palästinensische Häftlinge ausgetauscht werden. In Medienberichten hatte es geheißen, 40 Geiseln könnten gegen 400 Palästinenser in israelischen Gefängnissen ausgetauscht werden.

Weitere Bedingungen Israels, die von der Hamas abgelehnt wurden, brachten die Verhandlungen aber wieder ins Stocken. So wollte Israel eine genaue Liste der Geiseln mit Infos, welche noch am Leben seien und welche nicht. Die in London erscheinende katarische Tageszeitung "Al Araby Al Jadid" zitierte einen ranghohen Hamas-Funktionär mit der Aussage, dass sich seine Organisation nicht zur Herausgabe einer Geiselliste zwingen lasse. Außerdem präsentierte Israel seinerseits eine Liste mit palästinensischen Häftlingen, die jedenfalls nicht für den Austausch infrage kommen, zum Beispiel jene, die für Mord oder Terrorismus verurteilt wurden.

Frage: Hat die Hamas ihrerseits Bedingungen?

Antwort: Die Hamas möchte regelmäßige Hilfslieferungen für den Gazastreifen. Im Gespräch waren zuletzt mindestens 500 Lkw-Lieferungen pro Tag. Umstrittener ist die Forderung, dass es nicht nur eine sechswöchige Waffenruhe für die Freilassung weiterer Geiseln, sondern einen anschließenden permanenten Waffenstillstand geben solle. Für Israel ist das ein No-Go. Schließlich hat man das Kriegsziel der Zerstörung der Strukturen der Hamas noch lange nicht erreicht. Netanjahu sagte am Sonntagabend in Tel Aviv: "Wir werden vor den wahnhaften Forderungen der Hamas nicht kapitulieren."

Bilder der nach wie vor entführten Menschen prägen das Stadtbild in Tel Aviv.
Bilder der nach wie vor entführten Menschen prägen das Stadtbild in Tel Aviv.
REUTERS/Carlos Garcia Rawlins

Frage: Dem ägyptischen Staatsfernsehen zufolge gab es "bedeutende Fortschritte". Worin bestehen die?

Antwort: Man rechnet offenbar mit einer Einigung in den nächsten Tagen. Das "Wall Street Journal" zitiert allerdings einen Vertreter der Hamas, der noch nicht so bald mit einer Finalisierung der Verhandlungen rechnet. Die erste Woche des Ramadan sei zeitlich ein realistisches Ziel, heißt es in dem Beitrag. Das würde bedeuten, dass es etwa Mitte März zu einer Einigung käme.

Frage: Es ist immer von "Vertretern der Hamas" die Rede. Was sagt Anführer Yahya Sinwar?

Antwort: Derzeit gar nichts, denn er ist untergetaucht. Das ist eine Tatsache, die Expertinnen und Experten Sorge bereitet. Sinwar ist der ranghöchste Hamas-Führer in Gaza und der Drahtzieher des Massakers vom 7. Oktober in Israel, das den Krieg auslöste. Ohne seinen klaren Segen werde es keinen Deal geben können, meint auch Nahostexpertin Gudrun Harrer, leitende Redakteurin des STANDARD. Ihre wenig optimistische Befürchtung ist, dass Sinwar die Verhandlungen absichtlich verzögert und es eventuell noch zu weiteren Terroroperationen während des Ramadan kommen könnte. Unruhen müssten auch die arabischen Nachbarn befürchten.

Frage: Das klingt nicht sehr vielversprechend. Was wird letztlich den Ausschlag für eine Einigung geben?

Antwort: Der internationale Druck auf beide Kriegsparteien steigt von Tag zu Tag. Die USA scheinen auch die Geduld mit Israel zu verlieren, die Beziehungen sind angespannt. Ein Zeichen dafür ist auch der aktuelle US-Besuch von Benny Gantz, Mitglied der seit Kriegsbeginn amtierenden Einheitsregierung und der stärkste Rivale von Netanjahu. In Washington trifft er am Montag unter anderen Vizepräsidentin Kamala Harris. Die "NZZ" zitiert dazu Michael Milshtein von der Universität Tel Aviv: "Im Weißen Haus ist man nicht nur enttäuscht, sondern auch wütend über die aktuelle Regierung." Man habe in den USA offenbar den Glauben verloren, dass Israel es schafft oder gewillt ist, irgendein nachhaltiges Regime in Gaza zu etablieren. US-Vizepräsidentin Harris forderte mittlerweile eine sofortige Waffenpause.

Auch die arabischen Staaten erhöhen den Druck. Eine israelische Bodenoffensive in Rafah im Ramadan wäre auch für sie ein hohes Sicherheitsrisiko. (mhe, APA, 4.3.2024)