Als die Autokolonne am Mittwochvormittag durch Ramallah rollt, wird sie vom Straßenrand aus kritisch beäugt. Männer in Mechanikerjeans und Kapuzenpullovern stehen an den Toren von Autowerkstätten und Geschäften und beobachten den Konvoi, der sich von einem Checkpoint aus Israel kommend in Richtung der palästinensischen Regierungsgebäude bewegt; vorbei an den Häusern, die doch sehr anders aussehen als die Bauwerke wenige Minuten zuvor in Israel. Schwarze Wassercontainer säumen die Dächer, Autowerkstätten und Car-Wash-Stände reihen sich aneinander. Im Zentrum dann ist auch bescheidener Wohlstand sichtbar.

Außenminister Alexander Schallenberg und der kommissarische Palästinenserpremier Mohammed Schtajjeh.
AUSSENMINISTERIUM/MICHAEL GRUBER

Außenminister Alexander Schallenberg trifft dort einen Premierminister, der eigentlich schon zurückgetreten ist. Mohammed Schtajjeh beendete am Montag seine Zeit als Regierungschef in Ramallah. Allerdings bleibt er dennoch weiter kommissarisch im Amt. Der Rücktritt hatte eher die Bereitschaft zur Reform der Palästinenserbehörde signalisieren sollen.

Der Schritt soll auch auf Druck der USA zustande gekommen sein. Kernidee ist es, dass diese neugestaltete PA später, wenn es nach Washington ginge, auch wieder den Gazastreifen regieren soll. Eine Liste mit den Namen der neuen Regierungsmitglieder soll schon kursieren; bestehen soll sie unter anderem auch aus Technokraten. Die Regierung, deren Bildung nun im Raum steht, wäre aber nach diesem Plan noch kein Kabinett. Offen ist etwa, ob dieser Regierung in mittlerer Zukunft auch Vertreter der Hamas angehören sollen. Der palästinensische Außenminister Riad Maliki hat eine Beteiligung der Hamas zuletzt ausgeschlossen, geht aber davon aus, dass die Hamas die Bildung einer Regierung aus Technokraten unterstützt.

Brodeln unter der Oberfläche

Sehr zum Missfallen der USA, aber auch Israels – das diese Pläne insgesamt ablehnt –, hat sich auch Russland in die Überlegungen eingebracht. Am Donnerstag werden Delegationen aller wichtigen palästinensischen Gruppen – also der im Westjordanland regierenden Fatah, aber auch der Hamas – in Moskau erwartet. Ziel soll nach den Worten Moskaus die Arbeit an einer Einheitsregierung sein.

Video: Schallenberg mit großer Hilfszusage im Gepäck in Palästina.
APA

Was die Menschen im Westjordanland davon halten, ist offen. Die Stimmung, die sich Besuchern darbietet, wirkt zwiespältig. Vordergründig scheint die Lage ruhig zu sein – Demonstrationen, heißt es, seien zuletzt kleiner ausgefallen als oft erwartet. Doch dass es unter der Oberfläche brodelt, ist offensichtlich. In einer Umfrage sagten allerdings schon im Dezember 90 Prozent, der alternde Präsident Mahmud Abbas solle zurücktreten. Er wurde zuletzt im Jahr 2006 gewählt, seither hat kein neuerliches Votum stattgefunden. Fast zwei Drittel wollten auch die Auflösung der PA, 82 Prozent unterstützten die Terroranschläge der Hamas beim Gazastreifen.

Wirtschaftlich hat sich seither jedenfalls vieles erschwert. Wer von einem Teil des Westjordanlands in einen anderen will, um zu arbeiten, muss für Strecken, die sonst nur rund 50 Minuten dauern, mehrere Stunden einkalkulieren: gilt es doch, mehrere Checkpoints zu durchlaufen – solche, die israelische Sicherheitskräfte errichtet haben, und solche, die von Siedlern in Militärverkleidung geführt werden. Letztere haben seit dem 7. Oktober massiv zugenommen, so wie auch andere Schikanen seitens der Radikalen.

Zehn Millionen im Gepäck

Vorerst aber ändert sich wenig. Schtajjeh bleibt kommissarisch im Amt – und somit auch Ansprechpartner für Schallenberg. Der Außenminister berichtete nach dem Gespräch davon, dass die Unterstützung seitens der EU und auch Österreichs stark honoriert werde. Zu den Reformen sagte Schallenberg, er habe ein Bewusstsein wahrgenommen, dass sich etwas ändern müsse – etwa Schulbücher oder Ausbildung, wo derzeit aus seiner Sicht vieles sehr problematisch sei. Ganz anders als in Israel hätten seine palästinensischen Gegenüber ihn wissen lassen, dass eine Friedenslösung von arabischen und westlichen Partnern durchgesetzt werden müsse – genau das also, was Israel nicht will. Zur Anerkennung eines palästinensischen Staates sagte Schallenberg, es handle sich um einen Schritt, der nur einmalig gesetzt werden könne und daher am Ende eines Prozesses stehen müsse. Unter welchen Umständen das passieren könne, sei offen. Österreich jedenfalls werde einen solchen Akt sicher nicht alleine setzen. Bei der PA habe man ihm umgekehrt zu verstehen gegeben, dass man eine Anerkennung als logischen nächsten Schritt sehe.

Im Gepäck hatte Schallenberg ein gut dotiertes Hilfspaket, wenngleich für Gaza: Zehn Millionen Euro gab der Ministerrat am Mittwoch an Hilfen für die Menschen dort frei. Fünf Millionen der Mittel aus dem Auslandskatastrophenfonds sollen dem Internationalen Komitee von Roten Kreuz, konkret in diesem Fall dem Roten Halbmond, zugutekommen. Weitere drei Millionen gehen an das UN-Kinderhilfswerk Unicef, zwei an die Weltgesundheitsorganisation WHO. Insgesamt 23 Millionen Euro hat Österreich mit dem Paket damit seit dem 7. Oktober für notleidende Palästinenser überwiesen. (Manuel Escher aus Ramallah, 28.2.2024)