Spätestens wenn im Wartezimmer Frau Doktor oder Herr Magister aufgerufen werden, wird deutlich, wie verbreitet berufliche Titel immer noch in Österreich sind. Diesen Umstand möchte nun auch die Wirtschaftskammer (WKO) verstärkt nutzen und Titel für alle berufspraktischen Ausbildungen zugänglich machen.

Bereits seit 2020 können Personen, die eine Meisterprüfung erfolgreich abgelegt haben, die Bezeichnung "Meisterin" oder "Meister" – kurz Mst.in oder Mst. – vor ihrem Namen führen und in amtlichen Urkunden, etwa dem Reisepass, eintragen lassen. Für Berufe mit Befähigungs- statt Meisterprüfung gilt das jedoch nicht, obwohl sie gemäß dem Nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) den Handwerksberufen gleichgestellt sind (siehe Infobox unten). Im Ausbildungsjahr 2022/2023 haben 4430 Personen eine dieser beiden Prüfung positiv absolviert.

Junge Frau mit hochgeklappter Schweißermaske steht in einer Werkstatt und lächelt in die Kamera
Seit 2020 können sich Meisterinnen und Meister ihren Titel auch in offiziellen Dokumenten eintragen lassen.
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Mehr Anerkennung

"Wir halten von dieser Unterscheidung gar nichts", sagt die Obfrau der Bundessparte Gewerbe und Handwerk, Renate Scheichelbauer-Schuster, im Gespräch mit Journalistinnen und Journalisten in der WKO. Diese sei nicht mehr zeitgemäß und gehe auf die ehemals behördlich konzessionierten Berufe beispielsweise im Bauwesen oder in der Gastronomie zurück, erklärt Bundessparten-Geschäftsführer Reinhard Kainz.

"Selbst ein Küchenmeister oder eine Elektromeisterin können deshalb aktuell keinen Meistertitel führen", ergänzt die Spartenobfrau. Damit "gleiche Anerkennung für gleiche Ausbildung" herrsche, bedarf es einer Änderung der Gewerbeordnung. Ein entsprechender Vorschlag wurde beim Wirtschaftsministerium laut Scheichelbauer-Schuster bereits eingebracht, der Ball liege nun dort.

In der Begründung der Notwendigkeit stützten sich die Spartenvertreter auf eine aktuelle Umfrage, die von der WKO beim Market-In­stitut in Auftrag gegeben wurde. Eine zentrale Erkenntnis: Rund drei Viertel der Bevölkerung haben demnach mehr Vertrauen in einen Betrieb, wenn dieser von einer Person mit abgeschlossener Meister- oder Befähigungsprüfung geführt wird. Fast ebenso viele denken, das angebotene Dienstleistungen oder Produkte dann eine höhere Qualität hätten.

Gegen den Trend

Es gehe also nicht um Eitelkeit, beteuert Kainz. Laut der Umfrage stimmen 60 Prozent der Befragten (eher) zu, dass durch einen sichtbaren Titel die Qualifikationen besser bestimmt werden können. Einen eintragungsfähigen Titel wie bei akademischen Graden erachtet rund die Hälfte als sinnvoll.

International geht es hingegen schon länger in die andere Richtung: Seit der europaweiten Vereinheit­lichung der Hochschulabschlüsse durch Bologna werden die nun verliehenen akademischen Grade Bachelor und Master, aber auch der Ph.D. hinter den Namen gereiht. In offiziellen Dokumenten sucht man außerhalb der Landesgrenzen vergeblich nach Titeln.

Warum also die Initiative? "Österreich ist eben ein Titelland", sagt die Spartenobfrau. Man sei selbstbewusst genug, auch jetzt noch einen vorangestellten Titel für Ausbildungsberufe zu forcieren. Ähnlich wie bei den Diplom­titeln Mag. phil. für Magister der Philosophie oder Mag.a. iur. für Magistra der Rechtswissenschaften könne man sich sogar vorstellen, künftig noch weitere Endungen an den Meistertitel anzufügen, "beispielsweise Mst. HBM für den Meister Holzbaumeister."

Deutliche Unterschiede

Die ohnehin schon lange Liste der mehr als 1500 Titel in Österreich würde dann noch länger werden. Wenig verwunderlich, dass viele hier den Überblick verlieren. Laut WKO-Studie wissen zwei Drittel der Befragten nicht einmal über die bereits bestehende Eintragungsfähigkeit des Meistertitels Bescheid.

Zudem zeigen sich deutliche Un­terschiede zwischen den Generationen: Laut der Market-Umfrage geben 90 Prozent der Bevölkerung über 60 Jahre an, einem Betrieb mit Meisterin oder Meister mehr zu vertrauen – bei den 16- bis 29-Jährigen sind es hingegen nur 64 Prozent. Einen eintragungsfähigen Titel halten ebenfalls tendenziell ältere Befragte für einen Vorteil und sprechen sich auch öfter für eine Ausweitung aus. Es sei also nicht nur ein Signal an die Jungen, sondern diene vor allem der besseren Vermarktung der Lehrberufe bei den Eltern und Großeltern, räumt Spartenobfrau Scheichelbauer-Schuster ein.

Denn diese spielen nach wie vor eine entscheidende Rolle bei der Berufswahl ihres Nachwuchses. Umfragen belegen, dass viele Mütter und Väter zwar der Meinung sind, dass eine Lehre gut sei – jedoch nicht für ihr eigenes Kind. Noch immer ist die Laufbahn der Eltern entscheidend für den Ausbildungsweg ihrer Nachkommen, die Durchlässigkeit im Bildungssystem nach wie vor gering.

Keine Umwege

Man setzte aber nicht nur auf die Titel, heißt es. Zu einer Veränderung soll auch das neue Bundesgesetz über die höhere berufliche Bildung (HBB-G) beitragen, das am 1. Mai in Kraft tritt. Damit sei es möglich, auf gesetzlicher Basis neue Abschlüsse zu entwickeln. "Es gibt dann einen eigenständigen berufspraktischen Bildungsweg – ohne Umweg über eine Schule oder Hochschule", sagt Kainz.

Die Lehre mit Matura werde dann obsolet. "Ein Studium ist nicht das Ziel. Uns ist wichtig, die Leute in den Branchen zu halten", erklärte er. Scheichelbauer-Schuster hofft, wenn sich das neue System erst einmal etabliert habe, dass "kein Kind mehr dazu gedrängt wird, nur aus Prestigegründen die Matura zu machen". Um tatsächlich mehr junge Menschen für einen Lehrberuf zu begeistern, gilt es aber noch weitere Herausforderungen zu meistern. (Anika Dang, 11.3.2024)