Eine Frau geht an Wahlplakaten vorbei.
Im Iran wird am Freitag gewählt.
EPA/ABEDIN TAHERKENAREH

Während 61 Millionen Iranerinnen und Iraner aufgefordert sind, an den Parlamentswahlen am 1. März teilzunehmen, deuteten Umfragen, die in 31 Provinzen unter 16.000 Teilnehmern durchgeführt wurden, die wahrscheinlich niedrigste Wahlbeteiligung seit Bestehen der Islamischen Republik an. In Teheran dürfte sie demnach unter 20 Prozent liegen, in den übrigen Landesteilen höchstens bei 40 Prozent.

Eine andere, unter Verschluss gehaltene Umfrage, die vom Informationsministerium durchgeführt wurde, zeigt, dass 70 Prozent der Befragten ein säkulares System bevorzugen würden und den Einfluss der Religion auf den Alltag als Hindernis für die Weiterentwicklung des Landes bezeichnen. Außerdem lehnt die Mehrheit den Hijab ab.

Der frühere Wissenschaftsminister Mostafa Moien im Kabinett Mohammad Khatamis hat in einem Interview die Ergebnisse einer wissenschaftlichen Umfrage veröffentlicht, die zeigt, dass 81 Prozent der Bevölkerung kein Vertrauen in die Regierung haben und die Unzufriedenheit mit Politikern und Machthabern enorm gestiegen ist. Zudem konnten mehr als 52 Prozent der Befragten nicht einmal das Datum der Wahlen nennen.

Dossiers über Journalisten

Das Vertrauen ins System bekam durch eine Hackergruppe, die sich als Imam Ali bezeichnet und früher auch Bilder aus dem Evin-Gefängnis veröffentlicht hatte, einen weiteren Riss. Sie veröffentlichte interne Unterlagen des Justizministeriums: In mehr als einer Million geheim gehaltenen Dokumenten sind umfangreiche Informationen über Journalisten, Politiker und Personen, die sich in irgendeiner Weise kritisch geäußert haben, festgehalten. Jeder, der möchte, kann nun Einsicht in seinen Akt bekommen.

Obwohl an der Echtheit kein Zweifel besteht, behauptete das Justizministerium, die Dokumente seien gefälscht. Es existieren über fast alle Journalisten geheime Dossiers, in denen viele ihrer Aktivitäten und Ansichten dokumentiert wurden. Vor allem die Tätigkeit von im Ausland beschäftigten Journalisten wurde genauestens festgehalten.

Vor diesem Hintergrund fordern namhafte Politiker und Oppositionsführer die Bevölkerung auf, sich nicht an den Wahlen zu beteiligen – unter ihnen die Friedensnobelpreisträgerin Narges Mohammadi. Der frühere Vize-Innenminister Mostafa Tajzade bezeichnete die Wahlen als vulgär. Beide sind im Evin-Gefängnis inhaftiert. (N.N., 1.3.2024)