Pamela Rendi-Wagner, einst Vorsitzende der SPÖ und damit Kandidatin für das Amt des Bundeskanzlers, kehrt also zu ihren beruflichen Wurzeln zurück. Sebastian Kurz, dem einst Vorsitzenden der ÖVP und ehemaligen Bundeskanzler, bleibt dieser Weg verschlossen, egal, welchen der vielen Vorschläge aus den Medien der Richter bei seinem für Freitag versprochenen Urteil ignoriert. Schon mangels beruflicher Wurzeln. Es war reiner Zufall, dass Rendi-Wagners Ernennung zur Direktorin einer der wichtigsten EU-Gesundheitsbehörden und die Vorentscheidung über den Leumund von Kurz in einer Woche zusammenfallen sollten. Vielleicht deshalb lieferte er viele Betrachtungen über die Schicksale von der Politik gegen ihren Willen Ausgeschiedener und darüber, wer es besser, wer schlechter getroffen hat.

Sebastian Kurz
Steht am Freitag wieder vor Gericht: Ex-Kanzler Sebastian Kurz.
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Wer einen Beruf erlernt hat, in den er zurückkehren kann, wer nahtlos aus einem Mandat in die Pension übertreten kann, hat es besser. Als Person mit einem unbeschädigten Ruf auszuscheiden – und das auch noch, ohne das weitverbreitete Vorurteil verstärkt zu haben, Politik sei von vornherein ein dubioses Geschäft – war in Österreich in den letzten Jahren keine Selbstverständlichkeit. In diesem Sinne ist die Berufung Rendi-Wagners mit Genugtuung zu sehen, umso mehr, als sie über Parteigrenzen spürbar wurde. Nur den Freiheitlichen blieb es vorbehalten, trotz eines geheimen Auswahlverfahrens darin die Versorgung mit einem "Systemposten" zu sehen.

Unfehlbarkeit

Glücklich, wer seine politische Karriere nicht vor einem Richter abschließt. Dass Kurz und seiner Partei dieses Glück nicht beschieden ist, daran sollen aggressive Abgeordnete und Staatsanwälte schuld sein – eine Interpretation, die in dem Sendungsbewusstsein der Unfehlbarkeit wurzelt, die sein Regierungssystem von Anfang bis zum Ende charakterisierte.

Aus der Geringschätzung des Parlaments hat Kurz geradezu demonstrativ keinen Hehl gemacht. Dass eine Regierung dem Parlament verantwortlich ist und nicht umgekehrt, hatte in seinem Denken keinen Platz, jedenfalls nicht erkennbar. Weshalb er es nur als Feindseligkeit betrachten konnte, wenn er Abgeordneten Rede und Antwort stehen sollte. Und sich dabei offenbar verirrte, als diese Genaues über seine Rolle bei Postenbesetzungen in der Staatsholding Öbag wissen wollten.

Was gar nicht nötig gewesen wäre. Als Bundeskanzler sich dafür nicht zu interessieren wäre geradezu seltsam und auch nicht strafbar gewesen. Aber es sollte nicht so erscheinen. Daher kam es zu solchen schrägen Formulierungen, wie, er wäre bloß "involviert im Sinne von informiert" gewesen. Was ihm, als dem Erfinder der Message-Control nicht abgenommen wurde, sondern erst den Vorwurf der falschen Zeugenaussage einbrachte.

Er sei überzeugt, hat Kurz einmal vor Gericht gesagt, dass es diesen Prozess nicht gäbe, "wenn ich nicht Bundeskanzler gewesen wäre". Eine tiefere Binsenweisheit ist nicht denkbar, mit ihr hat er sich aus der Politik verabschiedet, und das wohl endgültig. Für eine von manchen erhoffte Rückkehr wäre es vor den Nationalratswahlen zu spät, und in fünf Jahren hat die ÖVP ein neues Genie hervorgebracht. Dann ist er mit seiner Sicherheitsfirma, seiner Beratungsfirma und seiner Investmentfirma längst der Politik entrückt und durchschaut als zu groß für Österreich. (Günter Traxler, 22.2.2024)