Donald Trump hat es wieder einmal geschafft. Er sorgte für Empörung und dicke Schlagzeilen, nicht nur in den USA, wo der Wahlkampf langsam heißläuft, sondern weltweit.

Seine Ankündigung, dass er bei einer erneuten Wahl zum US-Präsidenten säumigen Nato-Partnern militärisch nicht beistehen werde, wenn sie angegriffen würden, löste da und dort Entsetzen aus. Die Begründung des Haudraufs der Republikaner war simpel, wie immer bei Rechtspopulisten: Wer nicht genug für Militärausgaben aufwende, werde von den USA nicht beschützt. Punkt.

Damit rührte er nicht nur am "Allerheiligsten" der Nato-Verträge, der Beistandspflicht nach Artikel 5: Wenn ein Mitglied der Allianz angegriffen wird, sehen die anderen das als Angriff auf alle – und verteidigen sich kollektiv.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen
Nach den Drohungen von Donald Trump ist Europa sicherheitspolitisch gefordert: Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg und Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.
EPA/OLIVIER HOSLET

Dieses Prinzip hat samt nuklearer Abschreckung jahrzehntelang funktioniert, nicht nur im Kalten Krieg. Trump setzte noch eins drauf. Der Ex-Präsident meinte, er würde einen Angreifer – seinen Buddy Wladimir Putin – "ermuntern", mit den Zahlungsunwilligen "zum Teufel" was auch immer zu machen.

Versäumnisse

Der regierende US-Präsident, Joe Biden, fand dazu die einzig richtige Antwort. Trumps Ausbrüche seien "beschämend, gefährlich und auch unamerikanisch". Zum einen brauchen die USA die europäischen Nato-Partner genauso wie umgekehrt, wobei sie im Bündnis natürlich die Führungsmacht sind. Es gab in der Geschichte erst einen Bündnisfall, nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001. Alle leisteten Beistand: militärisch, politisch, diplomatisch.

Man könnte zur Tagesordnung übergehen, sich mit einer dummen Wahlkampfrede Trumps nicht lange aufhalten, auch wenn er erneut US-Präsident werden könnte, für Europa unangenehm wie 2016 bis 2020. Estlands Premierministerin Kaja Kallas sagte im Standard-Interview dennoch gelassen: Wir würden Trump auch diesmal überleben, die Partner der Allianz würden weiter kooperieren.

Sie sind dazu gezwungen. Die Nato als Bündnis zur Verteidigung von Freiheit und Demokratie ist kein Selbstzweck. Trumps Attacken rückten große Versäumnisse in Europa ins grelle Licht. Das hatte bereits sein Vorgänger Barack Obama seriös, aber eindringlich getan: 2014 beim Nato-Gipfel in Wales, 2016 in Warschau. Schon damals wurde – nach dem Schock der Annexion der Krim durch Russland – vereinbart, dass alle Staaten zwei Prozent ihrer Wirtschaftskraft ins Militärbudget stecken.

Nicht wenige Bündnisstaaten (von denen mit Schweden 23 zugleich EU-Mitglieder sind) haben das lange nicht erreicht. Aktuell sind es erst 18 von 31, wie Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg verkündete. Das reicht bei weitem nicht.

Beim letzten Nato-Gipfel im Juli 2023 in Vilnius verständigte man sich auf "mindestens zwei Prozent". Nur die USA und Polen kommen auf über drei Prozent.

Zusätzlich wurde vereinbart, verfügbare Kampftruppen auf 300.000 Personen aufzustocken, zig Milliarden zusätzlich für Waffen und Munition aufzubringen und einiges mehr. Nach zwei Jahren Krieg in der Ukraine ist allen klar, dass von Russland die Gefahr eines Atomschlags ausgeht. Aber als wahrscheinlicher gilt ein konventioneller Krieg, ein Angriff wie in der Ukraine. Darauf sind die meisten Länder in Europa schlicht nicht vorbereitet. Deshalb rüsten sie jetzt kräftig auf, nicht wegen Trump. (Thomas Mayer, 15.2.2024)