Ungläubig starrt man mittlerweile auf die Rechnung, wenn man den Wocheneinkauf hinter sich hat. Die Preise für Brot, Gemüse oder Milchprodukte sind in den vergangenen Monaten stark gestiegen. Die Inflation schlägt sich bei vielen vor allem beim Lebensmitteleinkauf nieder. Die Qualität der Produkte lässt allerdings oft zu wünschen übrig. Die Lieferketten sind unklar und die Verfügbarkeit regionaler Waren in zu geringem Ausmaß gegeben. Ist man den Supermarktketten, ihrer Produktauswahl und der Preissetzung ausgeliefert?

DER STANDARD stellt drei Initiativen vor, die eine Alternative zu Handelsriesen sein wollen. Hier wird darauf geachtet, wo die Produkte herkommen. Das ist den Konsumentinnen zunehmend wichtig. Und auch die Produzentenseite wird nicht ausgeklammert. So sollen auch sie von einem System profitieren, in dem Qualität vor dem Streben nach Profit steht.

Beispiel 1: Mitmach-Supermarkt Mila

Der kleine Laden im 16. Bezirk hat vor zwei Jahren eröffnet. Nun soll bald ein neuer Standort her.
© Christian Fischer

Der Name ist Programm, Mila steht für Mitmachladen. Und Mitmachen ist durchaus gewünscht. Im kleinen Geschäftslokal tummeln sich an diesem Vormittag, als DER STANDARD zu Besuch ist, allerlei freiwillige Mitarbeiter. Manche stehen hinter der Kassa, andere schlichten die Regale ein. Seit zwei Jahren kann man bei Mila in der Haberlgasse im 16. Bezirk in Wien Lebensmittel einkaufen. Es gibt viel Obst und Gemüse, Milchprodukte, aber auch Nudeln, Reis, Konserven und Getränke aller Art. Eine Ecke ist für Drogeriewaren reserviert, hier findet man alles vom Shampoo bis zum Allzweckreiniger.

Der Laden ist als Genossenschaft organisiert und gehört daher seinen Mitgliedern. Die Organisationsform ermöglicht es, gemeinsam zu wirtschaften. Man ist nicht auf Preis- und Produktvorgaben angewiesen. Das Sortiment wird gemeinschaftlich ausgewählt. Mila steht allen Menschen offen, einmalig ist ein Mitgliedsbeitrag in Höhe von 180 Euro fällig. Man will aber kein elitäres Projekt sein. Menschen, die weniger zur Verfügung haben, zahlen daher 20 Euro. Mittlerweile gibt es fünf fixe Mitarbeiter, der Rest arbeitet freiwillig.

Vegan, bio und konventionell

Der Genossenschaft geht es nicht um Profitmaximierung, auch die Produzentinnen sollen fair behandelt werden. Man wählt sie nach besten Wissen und Gewissen aus und besucht die Hersteller der Waren, die verkauft werden, auch vor Ort. Bio und vegane Produkte sind ein Schwerpunkt, verkauft wird aber auch konventionelle Ware. Nur bei bei Obst und Gemüse ist Bio Pflicht. Produktwünsche kann man vor Ort anmelden.

Der Genossenschaft geht es nicht um Profitmaximierung, auch die Produzentinnen sollen fair behandelt werden. Man wählt sie nach bestem Wissen und Gewissen aus. Bio und vegane Produkte sind Schwerpunkte, man erhält aber auch konventionelle Ware. Nur bei Obst und Gemüse ist Bio Pflicht.

Die Lieferketten werden besonders berücksichtigt, man will kurze Handelswege und faire Bedingungen fördern. Trotzdem sind Bananen oder Zitrusfrüchte erhältlich. Der Zwischenhändler wurde ausführlich geprüft.

Mitarbeit ist erwünscht, etwa beim Dienst an der Kassa.
© Christian Fischer

Mila soll nun wachsen. Der Minimarkt in der Haberlgasse ist ein Testlauf dafür, was Mila eigentlich werden soll: ein großer Supermarkt mit mindestens 600 Quadratmetern. Derzeit ist man auf der Suche nach einem Geschäftslokal, bevorzugt in den Bezirken 15, 16 oder 17, jeweils in Gürtelnähe.

Um den Betrieb ermöglichen zu können, braucht Mila neue Mitglieder. Die bisherigen Genossenschaftsmitglieder sind optimistisch, 1500 Personen gewinnen zu können. Die Mitgliederkampagne läuft derzeit.

Mila setzt auf ein Vollsortiment. Neben Lebensmitteln erhält man auch Kosmetikprodukte und Putzmittel.
© Christian Fischer

Beispiel 2: Genossenschaft Morgenrot

Mila ist nicht die einzige Supermarktgenossenschaft in Wien. In den Startlöchern steht die Initiative Morgenrot. Ab Herbst soll es einen Laden geben – am Dornerplatz im 17. Bezirk.

Morgenrot, damit verknüpfen die Initiatoren den "Aufbruch in eine neue Welt". Ihr Konzept ist ähnlich wie jenes von Mila. Man zahlt einmalig einen Genossenschaftsbeitrag (bei Morgenrot in Höhe von 300 Euro), um dann unbegrenzt einkaufen zu können. Nicht nur die Konsumentinnen sollen Genossenschaftsmitglieder werden, sondern auch die Produzentinnen. Man will faire Bedingungen für alle schaffen, dazu gehört es auch, regenerative Landwirtschaft zu fördern. Waren sollen nur von Produzenten erworben werden, die sorgsam mit dem Boden und anderen Ressourcen umgehen.

Vorbild aus Südkorea

Verpflichtend ist es allerdings für Produzentinnen nicht, Genossenschaftsmitglied zu sein. Für Kundinnen im Übrigen auch nicht. Was Genossenschaftsmitglieder von anderen Personen, die einkaufen gehen, unterscheidet, ist, dass sie mit einer Karte rund um die Uhr Zugang zum Geschäft haben. Es wird Selbstbedienungskassen geben, personalfreies Einkaufen wird möglich sein.

Als Verkaufsfläche sind rund 280 Quadratmeter vorgesehen, und man will 2500 bis 3000 Artikel anbieten. Die Filiale am Dornerplatz soll nicht die einzige bleiben. Bis Ende 2025 plant man drei Standorte in Wien, in 20 Jahren soll sich ein Netzwerk über ganz Europa erspannen. Unterstützen soll auch ein Logistiknetzwerk, das mitaufgebaut wird. Ähnlich wie beim Vorbild in Südkorea namens Hansalim soll es möglichst einfach sein, Bioprodukte verschiedener Produzenten in die Läden zu bringen.

Pro Standort sind zwei bis drei Mitarbeiter vorgesehen, freiwillige Mitarbeit der Genossenschaftsmitglieder ist erwünscht, aber nicht verpflichtend.

Beispiel 3: Solidarische Landwirtschaft Ochsenherz

Im Tunnel wächst das Gemüse schon im Spätwinter. Susanna Kohlweiß-Czerny führt den STANDARD durch die Anlage.
© Christian Fischer

Man fährt durch Einfamilienhaussiedlungen, das Land ist flach. Viele Felder befinden sich rundherum. Auf einem von ihnen wird die gemeinschaftliche Landwirtschaft Ochsenherz betrieben. Elf Hektar werden hier zwischen Strasshof und Gänserndorf im Marchfeld bewirtschaftet. Was die Fläche von anderen in der Umgebung unterscheidet: Nicht ein Bauer oder ein Betrieb steckt dahinter, die Felder werden von einem Kollektiv gepachtet, das dort Obst und Gemüse anbaut.

Im Spätwinter ist in den Gewächshäusern schon einiges los, die Jungpflanzen werden gezogen. Es wird Bekanntes und Bewährtes angebaut, etwa Erdäpfel, Salat oder Karotten. Bei den Paradeisern hat man mehr als 40 Sorten im Angebot, beim Kohl mehr als 30. Zusätzlich zu den Feldern gibt es eine Obstbaumzeile. 13 angestellte Mitarbeiter kümmern sich ganzjährig darum, dass der Betrieb läuft.

Die Katze fängt Mäuse und überwacht die Jungpflanzen.
© Christian Fischer

Ochsenherz ist nicht neu, die Landwirtschaft gibt es schon seit vielen Jahren, und sie ist als Verein organisiert. Es herrscht Soziokratie, sämtliche Entscheidungen werden gemeinschaftlich getroffen.

Abholung am Naschmarkt

Ein klarer Schwerpunkt von Ochsenherz liegt auf Selbstangebautem – sprich, man erwirbt dort einen Ernteanteil an Obst und Gemüse und wird als Mitglied das ganze Jahr über damit versorgt. Biodiversität steht im Vordergrund.

Die Mitglieder finanzieren den Betrieb, der nicht darauf ausgelegt ist, Gewinn zu machen. Als Mitglied zahlt man im Schnitt 146 Euro pro Monat und erhält dafür einen Gemüseanteil. Dieser kann einmal pro Woche am Naschmarkt in Wien abgeholt werden.

Die Setzlinge deuten auf den nahenden Frühlingsbeginn hin.
© Christian Fischer

Von Juni bis Dezember stellt Ochsenherz zudem Gemüse- und Obstkistln zusammen, die nach Wien an 15 Abholstandorte geliefert werden. Dafür kann man sich anmelden, noch sind Plätze frei. Die Selbstabholung ist schon ausgebucht, es gibt eine lange Warteliste. 280 Ernteanteile sind vergeben, die von 350 Mitgliedern bezahlt werden. (Rosa Winkler-Hermaden, 18.3.2024)