Seine Gegner, die ihn als "Volkskanzler" verhindern wollen, bilden eine Einheitspartei, sagte Herbert Kickl in seiner mittlerweile berühmten Grazer Rede. "Liste Volksverrat" würde als Name für diese Gruppierung gut passen. Diese Behauptung ist indessen in gewisser Weise Wirklichkeit geworden. Demnächst gehen die Kickl-Gegner in Wien auf die Straße, allerdings nicht unter dem Namen "Volksverrat", sondern unter der Devise "Verteidigung der Demokratie".

Seit der Rechtsextremistenkonferenz in Potsdam, bei der Herbert Kickls "unterstützenswerter" Mitstreiter Martin Sellner seine Pläne zur "Remigration", sprich Abschiebung, unliebsamer Zuwanderer und ihrer Helfer, ungeachtet ihrer Staatsbürgerschaft, entwickelt hat, ist zunächst in Deutschland die Zivilgesellschaft aufgewacht. Hunderttausende Menschen haben sich in den vergangenen Tagen in mehreren Städten versammelt, um gegen den wachsenden Rechtsextremismus zu demonstrieren. Jetzt, spät genug, tun es die Österreicher ihnen gleich.

Hierzulande liegt die FPÖ seit längerer Zeit in allen Umfragen mit dreißig Prozent an erster Stelle. Um das Kernthema der Kickl-Partei, Ausländer und Migration, haben die demokratischen Parteien denn auch bisher einen vorsichtigen Bogen gemacht. Wer es offen ansprach, musste sich den Vorwurf gefallen lassen: Das hilft nur der FPÖ. Um deren Wähler nicht zu vergrämen, sind bei uns die Hürden zum Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft praktisch unüberwindbar. Dass daher auch die qualifizierten Menschen aus anderen Ländern, die wir dringend brauchen, lieber anderswohin gehen, steht auf einem anderen Blatt.

Demonstration gegen Rechtsextremismus
Am Sonntag demonstrierten in Stuttgart mehrere Tausend Menschen gegen die AfD. In ganz Deutschland ging am Wochenende rund eine Million Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße.
IMAGO/Arnulf Hettrich

Inzwischen scheinen ÖVP und SPÖ vornehmlich damit beschäftigt, einander zu bekriegen. Die Sozialdemokraten beschuldigen die Kanzlerpartei der Korruption, der Freunderlwirtschaft und der mangelhaften Bekämpfung der Pandemie. Die ÖVP kontert mit gleicher Münze. Gewiss, all diese Missstände sind abzulehnen und gehören aufgeklärt. Aber mitunter ist man als Beobachterin von außen versucht, den Akteuren zuzurufen: Leute, ihr jagt Hasen, während nahebei Raubtiere unterwegs sind.

Im Grundsatzprogramm der NSDAP stand einst der Satz: "Staatsbürger kann nur sein, wer Volksgenosse ist. Volksgenosse kann nur sein, wer deutschen Blutes ist." Das ähnelt verdächtig den Ideen, die deutsche und österreichische Rechtsextremisten bei ihrem Treffen in Potsdam vorgetragen haben. Folgerichtig sprechen viele Deutsche jetzt von den "Nazis des 21. Jahrhunderts". Zu den Demonstrationen gegen diese haben in den letzten Wochen Gewerkschaften und Bischöfe, Linke und Konservative gemeinsam aufgerufen. Das Echo war, zum Erstaunen vieler, gewaltig. In den Medien war vom "Aufstand der Anständigen" die Rede.

Gibt es einen solchen Aufstand der Anständigen auch in Österreich? Kann die Zivilgesellschaft bewirken, was den Parlamentsparteien bisher nicht gelungen ist, nämlich klarzumachen, dass es bei der nächsten Wahl nicht nur um Parteipräferenzen geht, sondern um den innersten Kern unserer Demokratie?

Die nächsten Wochen werden darüber Aufschluss geben. (Barbara Coudenhove-Kalergi, 25.1.2024)