Dem Fluch, in interessanten Zeiten zu leben, werden sich die Österreicherinnen und Österreicher im heraufkommenden Jahr 2024 nicht entziehen können. Dazu sind sie mit zu vielen, auch überregional bedeutsamen Wahlen konfrontiert, die ihre demokratische Entscheidungsfähigkeit auf Gewissensproben stellen werden. Gelegenheit, sich auf all dies einzuüben, hatten sie im entschwindenden Jahr und davor genug, dass die Übung gelungen wäre, kann man, jedenfalls soweit es die politischen Akteure betrifft, leider nicht behaupten.

Wird aus eigener Kraft nicht Kanzler: FPÖ-Chef Herbert Kickl.
APA/ROLAND SCHLAGER

Einige von ihnen kommen einfach nicht los davon, den selbsternannten Bevölkerungskanzler zu dem großen Problem des Landes aufzubauschen, das er gerne sein möchte. So wie das Werner Kogler in Aufmachergröße in den Salzburger Nachrichten versuchen durfte, wo er als Neujahrsbotschaft verkündete, bei einem Sieg der FPÖ drohe der Niedergang des Landes. Ja eh. Sie musste gar nicht siegen, allein deren zweimalige Koalitionsbeteiligung an einer ÖVP-Kanzlerschaft ließ die von ihr hinterlassenen Schäden selbst für freiheitliche Wähler erkennbar werden. Sie liefen ihr einfach in Scharen davon. Hier läge der fruchtbare Denkansatz, wenn man dem Niedergang wehren will: Auch wer einmal freiheitlich gewählt hat, muss der politischen Vernunft nicht endgültig verloren sein, die Stammwählerschaft von Neonazis und Rechtsextremisten natürlich ausgenommen. Daher auch nicht jeder, der in Umfragen die Bereitschaft kundtut, auf Herbert Kickl hereinzufallen, wie andere es schon auf Jörg Haider und Heinz-Christian Strache taten.

Rationales Diesseits

Statt Kickl hochzudramatisieren, wie das nun gut ein Jahr lang stattgefunden hat, gälte es, diesen Menschen, von denen Meinungsforscher sagen, sie lebten gefühlsmäßig in einer anderen Welt als der Rest der Bevölkerung, Perspektiven aufzuzeigen, die ihnen eine Rückkehr ins rationale Diesseits ermöglichen. Vor allem sie daran zu erinnern, dass freiheitliche Erlöser sich zwar gelegentlich schon aufgerafft haben, armen Leuten einen Hunderter in die Hand zu drücken, um sich damit von jeder wirksamen Armutsbekämpfung freizukaufen. Wer sie jetzt zum Messerwetzen und Hosenflicken einlädt, erspart sich auch noch den Hunderter.

Wenn Kogler nun fordert, die konstruktiven Kräfte müssten sich zusammentun, lässt sich daraus schließen, dass ihm in der Regierung, der er angehört, etwas fehlt. Und er hat ja recht. Das Konstruktive war nicht die Maxime, von der sich ein Bundeskanzler und ÖVP-Obmann Sebastian Kurz mit seinem Neu-Regieren leiten ließ, im Gegenteil, als Herr der Message-Control galt es alles auszuschließen, was nicht gerade zum Erhalt einer parlamentarischen Mehrheit unbedingt erforderlich war. Dass er dafür einmal die Freiheitlichen und einmal die Grünen nicht sehr konstruktiv benutzte, zeigt, es ging ihm nur um Kurz.

Nicht Kickl ist das große Problem, er wird aus eigener Kraft nicht Kanzler. Es ist die Volkspartei, die sich noch immer bedeckt hält, wie weit sie zu einer Zusammenarbeit mit den konstruktiven Kräften des Landes bereit ist, und das heißt unter gegenwärtigen Verhältnissen im Klartext mit der SPÖ. Eine Zusammenarbeit dieser Kräfte müsste sich möglichst bald im neuen Jahr abzeichnen, das sind sie, wenn sie diesen Namen verdienen sollen, den Wählerinnen und Wählern schuldig. Die könnten anderes übelnehmen. (Günter Traxler, 28.12.2023)