Demonstranten in Buenos Aires
Viele sind mit den Reformplänen von Javier Milei unzufrieden.
AFP/LUIS ROBAYO

Die argentinische Wirtschaft benötige eine "Schocktherapie". Das sagte Javier Milei – mittlerweile neuer Präsident Argentiniens – im Rahmen seines Präsidentschaftswahlkampfs dieses Jahr. Nur zehn Tage nach seiner Amtseinführung lässt er nun seiner Ankündigung Taten folgen. Am Mittwoch unterzeichnete der ultralibertäre Milei ein Dekret, das umfassende Reformen vorsieht und der schwer angeschlagenen Wirtschaft Argentiniens wieder auf die Beine helfen soll: 30 Maßnahmen wurden abgesegnet, darunter die Privatisierung von Staatsbetrieben, Ausgabenkürzungen und großflächige Deregulierungen in Bereichen wie Gesundheit, Tourismus, Internet und Handel.

Video: Radikale Reformen und Proteste: Mileis "Schocktherapie" für Argentinien.
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Protest gegen Reformen

Mileis Vorhaben stieß bei der argentinischen Bevölkerung auch auf Unmut und Protest. Die Erlassung eines Dekrets sei in der Verfassung Argentiniens nur bei "außergewöhnlichen Notfällen vorgesehen, die es nicht erlauben, die demokratischen Prozesse der Gesetzgebung einzuhalten", wie der Kultur- und Sozialanthropologe Johannes Köpl auf X (vormals Twitter) schreibt. Dazu gehören Ereignisse wie Naturkatastrophen oder Putschversuche.

Milei habe dieses Instrument "missbraucht", etwa um Rechte von Mietern abzuschaffen und Liberalisierungen im Arbeitsrecht zu vollziehen. Diese Vorgehensweise, die nach Einschätzung Köpls "verfassungswidrig" ist, traf auch in der argentinischen Bevölkerung auf Widerstand. Tausende Menschen gingen nach der Unterzeichnung des Dekrets in Buenos Aires auf die Straße. Zuvor hatte Milei angekündigt, hart gegen all jene vorzugehen, die seine Pläne mit Protesten vereiteln wollen. Die Einführung eines umstrittenen "Sicherheitsprotokolls" zur "Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung" stieß in diesem Zusammenhang auf heftige Kritik seitens argentinischer Arbeits-, Sozial- und Menschenrechtsgruppen: Das Protokoll sei demnach unvereinbar mit den in der argentinischen Verfassung verankerten Rechten auf Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, Meinungsfreiheit und sozialen Protest.

Weitreichende Maßnahmen

Milei hatte unmittelbar nach seiner Amtseinführung mit dem Umbau der argentinischen Wirtschaft begonnen: Bereits vergangene Woche wurde die Landeswährung Argentiniens, der Peso, um 50 Prozent abgewertet. Ziel sei es, dem produktiven Sektor "angemessene Anreize" zu geben, ließ Wirtschaftsminister Luis Caputo wissen. Die nun abgesegneten Maßnahmen Mileis sehen rund 300 Änderungen bestehender Regulierungen vor, darunter die Privatisierung des Ölkonzerns YPF und der Fluggesellschaft Aeorolinas Argentinas. Längerfristig sollen alle Staatsbetriebe Argentiniens zu Aktiengesellschaften umgewandelt werden, um sie später zu privatisieren.

Geplant ist auch die Abschaffung eines Gesetzes, das die Mieten regelt und den Schutz von Mietern gewährleistet. Der Immobilienmarkt müsse wieder "ohne Probleme" funktionieren, damit die Wohnungssuche keiner "Odyssee" mehr gleiche, sagte Milei. Das Arbeitsrecht soll dem selbsternannten "Anarchokapitalisten" zufolge ebenfalls "modernisiert" werden und die "Schaffung echter Arbeitsplätze" erleichtern.

Massive Einsparungen soll es auch bei den staatlichen Subventionen geben, versicherte Wirtschaftsminister Caputo. Ab Jänner sollen die staatlichen Zuschüsse für Kraftstoffe und Transportmittel drastisch beschnitten werden. Gleichzeitig wurde angekündigt, dass keine neuen öffentlichen Bauaufträge mehr vergeben werden sollen. Infrastrukturprojekte sollten künftig vom Privatsektor getragen werden, so Caputo.

All diese Maßnahmen seien nur ein erster Schritt, wie Milei in einer Fernsehansprache bekanntgab: "Das Ziel ist es, den Wiederaufbau unseres Landes zu beginnen, dem Einzelnen Freiheit und Autonomie zurückzugeben und die enorme Menge an Vorschriften zu ändern, die das Wirtschaftswachstum in unserem Land blockiert, abgewürgt und gestoppt haben."

Argentiniens anhaltende Wirtschaftskrise

Argentinien befindet sich seit geraumer Zeit in einer schweren Wirtschaftskrise, kämpft mit hohen Staatsschulden und einer Inflationsrate von über 160 Prozent. Jahre der finanziellen Misswirtschaft haben das südamerikanische Land gezeichnet, mittlerweile leben rund 40 Prozent der rund 46 Millionen Einwohner unter der Armutsgrenze. Ein aufgeblähter Staatsapparat, geringe Produktivität in der Industrie, eine ausgeprägte Schattenwirtschaft, die keine Steuereinnahmen bringt – die Probleme in Argentinien sind vielfältig und haben Milei mitunter auch Aufwind im Wahlkampf verschafft.

Ob die geplanten Maßnahmen die Lage verbessern werden, steht noch in den Sternen. Milei selbst ist freilich von seinen Reformen überzeugt, doch auch er weiß nicht, wie rasch sie greifen: Es stehe wohl erneut ein hartes Jahr bevor, ehe die ersten Maßnahmen Wirkung zeigen würden, sagte er. (Vanessa Steiner, 21.12.2023)