Ein Blick durch ein Stahlrohr auf ein
Leicht waren die Verhandlungen in der Metallindustrie nicht – am Ende hat man sich doch noch auf eine Lösung geeinigt, die freilich beiden Seiten auch wehtut.
APA/dpa/Oliver Berg

Es ist vollbracht. Nach Wochen des zähen Ringens, die vor allem vom Austausch von Unfreundlichkeiten geprägt waren, haben sich die Sozialpartner zusammengerauft. Der neue Chef der Produktionsgewerkschaft, Reinhold Binder, hat sich mit der durchschnittlichen Erhöhung von 8,6 Prozent zwar nicht durchgesetzt, aber sein Gesellenstück geliefert. Denn das Gros der Arbeiter, die der gelernte Werkzeugmacher in der Metallgewerkschaft hinter sich weiß, bekommt die für die Lohnrunde maßgebliche Inflation von 9,7 Prozent abgegolten, teilweise sogar zehn Prozent.

Für alle hat es aber nicht gereicht. Bei rund zwei Dritteln der Angestellten in der Industrie bleibt die Gehaltserhöhung unter der sogenannten rollierenden Inflation, dafür sorgt die Deckelung. Bei 400 Euro Zuwachs ist Schluss, die Beschäftigten in den höheren Lohngruppen müssen einen Teil der Teuerung schlucken. Im Gewerkschaftssprech wird das als solidarischer Abschluss gefeiert. Das macht es für die Betroffenen nicht weniger bitter. Denn sie hatten bereits im Vorjahr ihre Solidarität unter Beweis gestellt und geringere Gehaltserhöhungen akzeptiert.

Federn lassen mussten auch die Arbeitgeber. Sie akzeptierten einen Zehner vor dem Komma, wenn auch nur bei einem Teil der insgesamt rund 200.000 Beschäftigten. Das war bis Donnerstag alles andere als vorstellbar, die Industrie hat sich also einen Ruck gegeben. Mehr – richtigerweise müsste es weniger heißen – war nicht drin, sagten die Arbeitgebervertreter nach der Verkündigung des Abschlusses, und da schwang eine gesunde Portion Resignation mit. Im Gegenzug bekommt die Industrie Kalkulierbarkeit, denn es wurde in einem Aufwasch auch der Abschluss 2024/25 fixiert, der eine Erhöhung um die maßgebliche Inflationsrate vorsieht zuzüglich eines Aufschlags von einem Prozent – und das alles ohne Deckelung.

Ob der Industrie dieses Paket zum Vorteil gereicht, muss sich erst weisen. Die Klausel, die es personalintensiven Metallwarenerzeugern oder Gießereien erlaubt, die Löhne weniger zu erhöhen und bis zu drei Prozent in Form von Freizeit, Zusatzausbildungen oder Einmalzahlungen abzugelten, zeigt, wohin die Reise geht. Dieser Teil ist dann nämlich nicht nachhaltig.

Insgesamt erübrigen sich im nächsten Herbst zumindest tage- und nächtelange Verhandlungen. Sinkt die Inflation allerdings nicht wie erhofft und prognostiziert, wird die garantierte Inflationsabgeltung zur Belastung mit Anlauf. Sollte sich die Rezession auswachsen, ist der Deal ohnehin Schall und Rauch, dann wird wohl neu zu verhandeln sein.

Wiewohl der Abschluss differenziert ausfiel, hat die Gewerkschaft ihr oberstes Ziel erreicht: Die Metallindustrie ist nicht auseinandergebrochen, alle Branchenverbände von Eisen und Stahl über Kfz- und Gießereiindustrie bis zu den Gas-Wärme-Erzeugern haben einen einheitlichen Abschluss. So gesehen ist die Einigung ein mehr oder weniger kräftiges Lebenszeichen der Sozialpartnerschaft.

Die Politik, die der Industrie mit kräftigen Erhöhungen für Pensionisten und Beamte auf Staatskosten in den Rücken gefallen ist, erwartet nun die geballte Ladung an Forderungen. Der Ruf nach einer Senkung der Lohnnebenkosten, also der Dienstgeberbeiträge zur Sozial- und Unfallversicherung, erschallt bereits. Wie diese und andere Begehrlichkeiten mit der Budgetkonsolidierung in Einklang zu bringen sein werden, ist dann das Problem der nächsten Regierung. (Luise Ungerboeck, 1.12.2023)