Die ARGE Aufzüge mit einem Transparent mit der Aufschrift
Mit Warnstreiks trainiert die Gewerkschaft ihre Muskeln in der Öffentlichkeit. Bewegt sich aus Sicht der Gewerkschaft weiter zu wenig in der Metallerherbstlohnrunde, muss der ÖGB zeigen, wie stark sein legendärer starken Arm tatsächlich ist. .
APA/ROLAND SCHLAGER

Die berühmt-berüchtigte Lohn-Preis-Spirale werde durch Tariflohnsteigerungen nicht in Bewegung gesetzt, auch keine zusätzlichen Preisanstiege, stellt das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifo in seiner am Montag veröffentlichten Analyse "Sind die Löhne die (neuen) Preistreiber?" klar. Denn die bisherigen Lohnsteigerungen ergaben sich aus den Preisanstiegen.

Nachteile gehen mit Kollektivvertragserhöhungen dennoch einher, denn sie verschlechtern die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, die sich aus der Überinflation in Österreich ergibt. Das trifft insbesondere die Exportindustrie, zu der die Metallindustrie zweifellos gehört. Denn ihr Spielraum ist aufgrund des Kapitalabflusses für Rohstoff- und Energieimporte ohnehin geschmälert.

Das Dilemma

Damit ist einmal mehr das Dilemma der Lohnverhandler umrissen. Werden die Löhne und Gehälter gemäß der in Zeiten niedriger Inflation bewährten Benya-Formel erhöht, wären 9,6 Prozent die Untergrenze, um kommende Reallohnverluste hintanzuhalten. Das scheint für die in die Rezession geschlitterte Industrie unerfüllbar, dadurch würde sich die Konkurrenzfähigkeit vor allem gegenüber dem Haupthandelspartner Deutschland enorm verschlechtern. Im Vergleich zu den USA noch mehr, denn dort war Energie bereits vor dem russischen Überfall auf die Ukraine billiger als in unseren Breiten.

Also wird bis zur Verhandlungsrunde am Donnerstag eifrig an Mischvarianten getüftelt. Die Industrie legte zuletzt zwei Vorschläge vor, die von der Gewerkschaft prompt als unzureichend abgelehnt, quasi als Legitimation für Warnstreiks gewertet wurden.

Der entrierte Zweijahresabschluss scheint den Arbeitnehmervertretern nicht nur aufgrund der prozentuellen Erhöhungen unzureichend, sondern allein schon aufgrund der Laufzeit von 24 Monaten, die der Gewerkschaft prinzipiell gegen den Strich geht. Löhne und Gehälter würden in dem Modell per 1. November 2023 um sechs Prozent erhöht und im Jahr darauf um vier Prozent – jeweils zuzüglich 750 Euro als Einmalzahlung.

Feilschen um Prozente

Ausbaufähig erscheint hingegen der zweite Vorschlag mit 2,5 Prozent Steigerung plus 100 Euro Fixbetrag, der den Prozentsatz rechnerisch dauerhaft deutlich erhöht: Durch den Fixbetrag entsteht eine sogenannte Spreizung, durch die von der Inflation besonders betroffene untere Lohngruppen höhere Steigerungen erfahren. Denn hundert Euro sind für Niedrigverdiener anteilsmäßig mehr als Angestellten in den obersten Besoldungsgruppen. Gemäß Berechnung der Arbeitgeber käme man so auf ein Plus von 6,82 Prozent. Die Schattenseite: Besserverdiener würden kürzer gehalten als im Vorjahr, als der Fixbetrag 75 Euro ausmachte. Höhere Löhne und Gehälter stiegen somit nur um 3,32 Prozent und würden erst unter Einrechnung der steuer- und abgabenfreien Einmalzahlung von 1050 Euro auf ein Plus von brutto 3,9 Prozent kommen – immer noch weit unter der aktuellen Inflationsrate. Netto bekämen obere Lohngruppen um 4,5 Prozent mehr heraus, während die unteren Lohngruppen an die zwölf Prozent, rechnen die Arbeitgeber vor.

Die Schwachstelle: Diesem Vorschlag fehlt es nicht nur an rechtlichen Voraussetzungen. Denn die 750 Euro Einmalzahlung im Geltungsbereich 2024/25 wären nicht steuer- und abgabenfrei, die Begünstigung läuft mit Jahresende aus. Allerdings ist aus Regierungskreisen zu hören, dass eine Verlängerung der steuerfreien Prämien durchaus eine Option sein könnte. Diesfalls allerdings ausschließlich zum Einsatz bei Lohn- und Gehaltsverhandlungen, nicht für jede Art von Leistungsprämie, wie dies seit 2022 der Fall ist. Das würde im Fall der Metaller für Klarheit sorgen. Denn derzeit hat mit tausenden, wohlorganisierten Beschäftigten der Voestalpine ein sehr einflussreicher Teil der Verhandler auf Arbeitnehmerseite seine steuerfreien Gewinnprämien bereits bekommen. Das ist ein Grund, warum die Ablehnung gegen Einmalzahlungen bei den Metallern so ausgeprägt ist.

Rückkehr der Freizeit?

Zweite Schwachstelle: Der Prozentsatz der Erhöhung reicht zwar netto für Niedrigverdiener inklusive Einmalprämie an die zehn Prozent heran, für einen erheblichen Teil der rund 200.000 in der Metallindustrie Beschäftigten ist er aber zu niedrig, reicht selbst bei Berücksichtigung der abgeschafften kalten Progression nicht an die (um Lebensmittel- und Energiepreise bereinigte) Kerninflation heran. Diese liegt im maßgeblichen Zeitraum jenseits der sechs Prozent. Selbst der sogenannte BIP-Deflator, also der inländische Preisauftrieb (exklusive Energieschock) liegt mit 5,3 Prozent höher. Es wird also noch viel an Rechenaufgaben und Überzeugungsarbeit notwendig sein, um zu einem Ergebnis zu kommen, mit dem beide Seiten halbwegs leben können. Gut möglich also, dass die inzwischen in den Hintergrund getretene Freizeitoption, bei der ein Teil der Gehaltserhöhung in Freizeit konsumiert wird, wieder in den Mittelpunkt rückt. (Luise Ungerboeck, 6.11.2023)