Die Synagoge in Wien wurde nicht von der Polizei bewacht, die israelische Fahne unter Gejohle heruntergerissen.
APA/GEORG HOCHMUTH

Das ist ein ausgewachsener Skandal, und zwar ein Polizeiskandal. Die Regierung erhöht die Terrorwarnstufe, beruft in einer großen Inszenierung ein sogenanntes Krisenkabinett ein, spricht von einer konkreten Bedrohungslage, findet es aber nicht notwendig, den exponiertesten Ort der jüdischen Gemeinde in Wien, die Synagoge in der Seitenstettengasse, ausreichend, also rund um die Uhr, zu bewachen. Dort rissen Freitagabend vorerst noch unbekannte Täter die israelische Fahne samt der Fahnenstange vom Stadttempel, eine dritte Person imitierte dazu ein Maschinengewehr. Der Schock in der jüdischen Gemeinde sitzt tief.

An dieser Stelle wurden bereits Menschen erschossen, hier sind Bomben explodiert, hier gehen Mitglieder der jüdischen Gemeinde beten, aber die Polizei hält sich an Bürozeiten und hält eine Bewachung zu Öffnungszeiten für ausreichend. Das Signal, das hier an die jüdischen Bürgerinnen und Bürger, aber auch in die Welt hinaus geschickt wird, ist fatal. Selbst in dieser aufgeheizten Atmosphäre, in der es in der ganzen Welt, aber auch in Österreich bereits zu Übergriffen auf jüdische Einrichtungen gekommen ist und Menschen attackiert wurden, finden wir es nicht notwendig, ihnen ausreichenden Schutz zukommen zu lassen. Offensichtlich sind auch jüdische Bürgerinnen und Bürger in Wien der antisemitischen Aggression schutzlos ausgeliefert. Das ist eine bittere Erkenntnis, für die Betroffen, aber auch für alle anderen, die ein solches Signal nicht für möglich gehalten hätten und nicht hinnehmen wollen.

Eine Entschuldigung steht aus, zumindest

Das ist eine beispiellose Fehlleistung der Wiener Polizei und des Innenministeriums, das diese Vorgangsweise duldete. Am Sonntag wurde endlich reagiert und die Bewachung exponierter Orte wie des Stadttempels auf 24 Stunden ausgeweitet. Der Innenminister ist aus seiner Trägheit erwacht und hat das spät, viel zu spät, angeordnet. Der Wiener Polizeichef befand es bisher nicht für notwendig, sich für diese außerordentliche Fehlleistung zu entschuldigen. Das steht noch aus, zumindest.

Die jüdische Gemeinde in Wien muss sich sicher fühlen können, da muss die Gesellschaft ihren Beitrag leisten, von der Polizei sollte man das aber ganz selbstverständlich erwarten können. (Michael Völker, 22.10.2023)