Othmar Karas hinter einem Rednerpult, flankiert von der österreichischen Flagge und jener der EU.
Othmar Karas rechnete mit der ÖVP ab.
APA/EVA MANHART

Othmar Karas ist ohne Zweifel kein Linker und kein Grüner. Dennoch streuten ihm vor allem Politiker dieses Spektrums Rosen, nachdem er angekündigt hatte, bei den EU-Wahlen 2024 nicht mehr anzutreten. Kein Zufall.

Versucht man diesen Berufspolitiker, der von Jugend an, seit mehr als vier Jahrzehnten, für die ÖVP tätig ist, in der Politlandschaft einzuordnen, so passt er am ehesten in die Kategorie eines Erhard Busek. Einerseits städtisch-liberal, mit einem festen christlichen Wertegefüge ausgestattet. Andererseits hatte er früh ein feines Sensorium für ökologische Themen und Soziales, kämpfte 1984 gegen ein Kraftwerk Hainburg.

Vor allem aber war Karas immer Anhänger und Kämpfer für die europäische Einigung, ab dem Beitritt 1995 für ein Österreich als Kernland der EU – ganz im Verständnis des früheren ÖVP-Chefs Alois Mock, eines Konservativen. Dieser hatte diese EU-Grundorientierung mit seinem innerparteilichen Widersacher Busek voll geteilt, wenn es um Werte, Rechtsstaat, Demokratie, Freiheit ging.

All das sieht Karas in seiner Partei nicht mehr als natürlich gegeben an, wie er in einer scharfen Abrechnung mit der ÖVP vortrug. Der Abgang ihres "Vorzugsstimmenkaisers" bei EU-Wahlen ist ein schwerer Schaden für die Volkspartei. Sein Name weist symbolisch auf deren Verfall hin: Die ÖVP verengt sich immer mehr zu einer rechtskonservativen Truppe, weg von der positiven europäischen Orientierung, die sie einst hatte. (Thomas Mayer, 12.10.2023)