Das Bild zeigt die Jabra Elite 10
Die Jabra Elite 10 sind üppig ausgestattet und punkten vor allem mit ihrem Tragekomfort. Wie man auch sehen kann, sind sowohl Buds als auch Case anfällig für Staub.
DER STANDARD/Brandtner

Das dänische Unternehmen Jabra ist seit Jahren ein Geheimtipp, wenn es um gute In-Ear-Kopfhörer zu einem fairen Preis geht. Mit dem neuen Modell Elite 10 will das Unternehmen nun an frühere Erfolge anknüpfen und sich auch im Premiumbereich wieder gegen etablierte Konkurrenten durchsetzen. In Europa sind die In-Ears seit Mitte September auf dem Markt und haben eine unverbindliche Preisempfehlung von 250 Euro. DER STANDARD hat die Jabra Elite 10 eine Woche lang getestet und geschaut, was das neue Modell gegen die Konkurrenz in die Waagschale werfen kann.

Abgesehen von sündhaft teuren Exoten, die qualitativ noch einmal eine andere Ebene erreichen, dominieren seit Jahren die üblichen Verdächtigen mit ihren Produkten den höherpreisigen In-Ear-Bereich: Apple, Bose, Samsung, Sennheiser und natürlich Sony. Aber warum nicht auch Jabra? Diese Frage stellt sich zumindest das in Kopenhagen ansässige Unternehmen und hofft, mit den Elite 10 wieder einen Platz an der Sonne zu ergattern. Nach eigenen Angaben hat man sich im Vorfeld intensiv damit beschäftigt, wie man die Konsumentinnen und Konsumenten in diesem Segment am besten von sich überzeugen kann.

Echte Ohrenschmeichler

Jabra will bei seinen Untersuchungen festgestellt haben, dass für viele Verbraucher – wenig überraschend – der Tragekomfort das wichtigste Kriterium bei der Auswahl eines Kopfhörers ist. Als Reaktion darauf wurde für das Elite 10 ein halboffenes Design entwickelt, das das unangenehme Gefühl der Okklusion, das manchmal mit In-Ear-Kopfhörern in Verbindung gebracht wird, minimieren soll.

Zudem ist Silikon das Zauberwort, das Jabra mit Komfort in Verbindung bringt. Nicht nur, dass ovale Silikonspitzen eine sanfte Passform und einen angenehmen Tragekomfort garantieren sollen – überall dort, wo der Rest der tropfenförmigen Kopfhörer mit dem Ohr in Berührung kommt, ist er mit Silikon überzogen.

Das Bild zeigt die Jabra Elite 10
Die Jabra Elite 10 sind mit Silikon überzogen, die metallische Oberfläche an der Außenseite repräsentiert je Bud einen physischen Button.
DER STANDARD/Brandtner

Die Praxis gibt Jabra recht und nimmt schon jetzt vorweg, was die Elite 10 allen anderen getesteten In-Ear-Kopfhörern – auch im Premium-Segment – voraushaben. Sie sind auch nach stundenlangem Probehören am Stück so bequem wie kein anderes Paar In-Ear-Kopfhörer. Dabei sitzen sie fest genug im Ohr, um gut abzudichten. Trotzdem fühlen sie sich nie wie ein Fremdkörper im Ohr an.

Mit echten Tasten

Apropos Komfort: Wirklich angenehm ist auch, dass Jabra dem Elite 10 pro Earbud einen physischen Knopf und keine Touch-Buttons spendiert hat. Auch wenn moderne Touchbedienung deutlich besser funktioniert als in ihren holprigen Anfängen, beweisen "echte" Knöpfe auch an dieser Stelle höhere Treffsicherheit. Letztlich bleibt diese Designentscheidung natürlich Geschmacksache. Zur Langlebigkeit des Headsets soll eine IP57-Zertifizierung beitragen, die einen besseren Schutz gegen Staub und Wasser bietet als viele andere Hersteller.

Zur Verarbeitungsqualität der Elite 10 ist anzumerken, dass die Earbuds selbst ein hochwertiges Gefühl vermitteln und mühelos in der oberen Liga mitspielen können. Anders verhält es sich mit dem Gehäuse, das zwar seinen Zweck erfüllt und auch relativ schlank in Erscheinung tritt. Die Kunststoffverarbeitung hinterlässt aber einen eher billigen Eindruck, jedenfalls nicht in dieser Preisklasse. Hinzu kommt, dass das Gehäuse nicht IP-zertifiziert und anfällig für Staub und Kratzer ist. Überraschend im positiven Sinne ist die Farbvielfalt, die beim Kauf zur Auswahl steht, denn die In-Ears sind in Cream (Beige), Cocoa (Dunkelbraun), Titanium Black (Dunkelgrau), Gloss Black und Matte Black (beide Schwarz) erhältlich.

Gut gerüstet, aufgeblähte App

Komfort schön und gut, aber was ist mit der restlichen Ausstattung? Jabra versichert für die Elite 10, trotz Komfortfokus keine Kompromisse bei Audioqualität und Ausstattung einzugehen. Die True Wireless In-Ears verfügen über Zehn-Millimeter-Treiber und eine adaptive aktive Geräuschunterdrückung, die ihr Niveau nach einem Scan des Gehörgangs noch präziser an die jeweilige Umgebung anpassen können soll. Automatisch. Klanglich unterstützt das neue Top-Modell Dolby Atmos und Dolby Head Tracking. Letztere Technologie soll sicherstellen, dass sich die Zuhörer immer im Zentrum ihrer Klangbühne befinden, wenn sie ihren Kopf bewegen. Damit will man ein natürlicheres Klangerlebnis sicherstellen.

Das Bild zeigt die App der Jabra Elite 10
Die App Jabra Sound+ lässt sich intuitiv bedienen, enthält aber auch Ballast in den Einstellungen, der eigentlich nicht notwendig wäre.
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Die nahtlose Bluetooth-Multipoint-Funktion verbessert das Nutzererlebnis im Alltag ebenso wie ein Equalizer und eine Reihe weiterer Einstellungen, die sehr intuitiv über die App Jabra Sound+ zugänglich sind. Neben seltenen Verbindungsproblemen ist bei der App hervorzuheben, dass sie teilweise mit unnötigem Firlefanz aufgebläht ist, der zwar gut ausgeblendet werden kann, aber nicht wirklich notwendig ist. Warum z.B. die Bewertung des Headsets und die Registrierung über die App in den Einstellungen auftauchen, kann wohl nur Jabra selbst beantworten. Auch die Ambient-Soundscapes sind nicht mehr als ein netter Gag.

Solider Sound ohne Gänsehaut

Müsste man das Soundprofil der Elite 10 ganz kurz beschrieben, wäre "routinierter Allrounder" vermutlich am treffendsten. Das Standard-Klangprofil der Elite 10 ist – wenngleich detailliert – doch recht zurückhaltend. Zwar fielen die Elite 10 im individuellen Testparcours über unterschiedliche Genres hinweg nicht ausdrücklich negativ auf – für gelegentliche Gänsehaut wie etwa Sonys WF-1000XM5 sorgten sie aber auch nicht. Zwar sind die Elite 10 mit Bluetooth LE-Audio ausgestattet, und sowohl SBC als auch AAC sorgen für eine klare und verzögerungsarme Audioübertragung. Die Unterstützung von aptX- oder LDAC-Codecs für qualitativ hochwertigere Audiostreams sucht aber man leider vergeblich.

Recht gut funktioniert das neue ANC, dessen Leistung gegenüber dem Vorgänger verdoppelt worden sein soll. Das konnte zwar nicht überprüft werden. Aber die automatische Anpassung des sogenannten Advanced ANC je nach Lautstärke der Umgebung war durchaus nachvollziehbar. Wer mit den Ergebnissen nicht zufrieden ist, kann jederzeit in der App selbst nachjustieren. Über einen Hear-Through-Modus werden auch unmittelbare Umgebungsgeräusche durchgelassen, die von den Außenmikros erfasst werden. Doch auch hier gilt: Das hat die unmittelbare Konkurrenz einfach noch besser drauf, insbesondere Sony, aber auch Apple können in diesem Bereich mehr überzeugen.

Das Bild zeigt die Jabra Elite 10 und Konkurrenten
Im Vergleich zur probegehörten Konkurrenz können die Elite 10 nur in einem Punkt herausstechen.
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Die Unterstützung von Dolby Atmos mag unterm Strich beeindruckend klingen, das versprochene "immersive 3D-Audioerlebnis" zeigt im Alltag aber kaum Mehrwert. Das Head Tracking mit Dolby Atmos mag zwar in seinen besten Momenten erstaunlich präzise agieren, ein geeignetes Szenario konnte im Test aber nicht gefunden werden. Da diese Funktion noch in den Kinderschuhen steckt, sind die Ergebnisse zudem eher durchwachsen.

Akkulaufzeit und Gesprächsqualität

Die Akkulaufzeit beträgt weniger als sechs Stunden bei aktiviertem ANC und ein bisschen mehr als acht Stunden bei deaktiviertem ANC. Kommen Funktionen wie virtueller Raumklang hinzu, kann sich die Zeit weiter verkürzen. Mit Ladecase sollen die Elite 10 in Summe rund 27 Stunden betrieben werden können. In Summe gehen die Werte absolut in Ordnung, zu Musterschülern zählen die Elite 10 aber auch hier nicht.

Ganz und gar nicht überzeugen können die Elite 10 schließlich bei der Gesprächsqualität. Obwohl die Ohrhörer an sich ja so konzipiert sind, dass sie Hintergrundgeräusche von der Stimme des Anrufers unterscheiden können, können sie in realen Situationen die Klarheit des Anrufs beeinträchtigen. In Kombination mit einem Google Pixel 7 Pro beklagten sich die Gesprächspartner, dass der Sprecher zwar verständlich war, seine Stimme aber so hohl klang als würde er "einen Kochtopf auf dem Kopf tragen". Auch der Gesprächspartner klang für den Träger der Elite 10 nicht natürlich.

Das heißt natürlich nicht, dass die Elite 10 für Telefonate komplett ungeeignet sind. Wer häufig damit telefonieren muss, sollte Anrufe aber besser in Innenräumen, insbesondere in ruhigen Umgebungen erwägen. Möglicherweise können Software-Updates in Zukunft hier noch Verbesserungen bringen.

Fazit

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich die Jabra Elite 10 eigentlich nur durch ihren hervorragenden Tragekomfort deutlich von der Konkurrenz abheben können. Das halboffene Design und der großzügige Einsatz von Silikon sorgen für einen angenehmen Sitz, der auch bei längeren Sessions nicht im Geringsten auffällt. Auch das verbesserte ANC und die intuitive Bedienung tragen zum Gesamtkomfort der Ohrhörer bei.

Es gibt aber auch Bereiche, in denen die Elite 10 nicht ganz überzeugen können. So ist die Klangqualität gut, aber nicht überragend, und die Gesprächsqualität bei Telefonaten lässt vor allem in lauten Umgebungen zu wünschen übrig. Auch die fehlende Unterstützung einiger Codecs und ein nicht ganz überzeugendes Ladecase könnten potenzielle Käufer abschrecken.

So sind die Jabra Elite 10 zwar durchaus solide In-Ear-Kopfhörer, die vor allem für diejenigen attraktiv sein dürften, die besonderen Wert auf Tragekomfort legen. Der empfohlene Verkaufspreis von 250 Euro erfordert jedoch ein Abwägen der individuellen Prioritäten – oder die Geduld, auf ein Schnäppchen zu warten, das den Kopfhörer deutlich unter die 200-Euro-Marke fallen lässt. (Benjamin Brandtner, 14.10.2023)