Kolumne Mittel-Alter Satire Babyboomer
Weltpolitische Pläne schmieden heißt: vorher aneinander Geschmack finden. Bankett der Delegationen von Präsident Putin und Nordkoreas Führer Kim Jong-un am 13. September auf russischem Boden.
EPA/KCNA

Das Zutrauen der Menschen in ihre Staatenlenker will genährt sein: Da trifft es sich besonders gut, wenn Politiker und Politikerinnen gleich welcher Couleur miteinander Freundschaft halten. Reisen bildet nicht nur, es schafft zuverlässig Nähe und fördert das wechselseitige Wohlbehagen.

Kein Wunder also, dass Nordkoreas Kim Jong-un unlängst seinen rund tausend Bruttoregistertonnen schweren Panzerzug bestiegen hat und im Schneckentempo nach Wladiwostok gereist ist. Am Zielbahnhof erwartete ihn schon Wladimir Putin. Er streckte sich gehörig, um Nordkoreas Herrn der Atome (geschätzt: 14 Bruttoregistertonnen) auch wirklich beidseitig umfassen können.

Zu allen Zeiten haben die Teilnehmer an Gipfelkonferenzen gerne gut und auskömmlich gegessen. Gerne stellt man sich vor, wie zwei eher asketisch veranlagte Politiker vom Schlage Herbert Kickls (FPÖ) und Alice Weidels (AfD) im Hotel Intercontinental gemeinsam Würsteln mit Saft geschmaust haben.

Zu anderer Gelegenheit kann man sich die Beschaffenheit einer solchen Mahlzeit nur schwer ausmalen. Als Frankreichs lukullisch durchaus reger Kaiser Napoleon den Fürsten Metternich 1813 in Dresden traf, ließ er den Österreicher wissen, jemand wie er, Bonaparte, verrichte auf das Leben von ein paar Hunderttausend seine große Not. Ob die beiden Herren anschließend Konfekt zu sich nahmen?

Dampfende Schüsseln

Als kleiner, durchaus gefräßiger Babyboomer wurde ich wiederholt Zeuge eines viel geübten, durchaus politisch zu deutenden Brauchs etwa zur Zeit der Regierung Kreisky. Die Eltern luden alle paar Jahre Papas Büroleiter samt dessen Gemahlin zum Mittagessen ein. Wie heute entsinne ich mich einer solchen Zusammenkunft zwischen dampfenden Schüsseln. Meine Mutter bat die Gäste fröhlich, beherzt zuzugreifen. Die taten, wie ihnen geheißen. Ich betrachtete das Schauspiel missgünstig. Endlich hielt ich es nicht mehr aus und rief: "Mama, die essen uns alles weg!"

Ich vermute, mein Vater hat sich seine Gehaltserhöhung daraufhin aufgemalt. Zumindest auf der Stoffserviette. (Ronald Pohl, 20.9.2023)