Im Gastblog klärt Rechtsanwältin Theresa Kamp auf, ab wann von einer Eheverfehlung gesprochen werden kann, auch wenn man nur Freundschaften pflegt.

Sich scheiden lassen ist keine schöne Angelegenheit. Eine Scheidung ist das Ende von etwas Großem. Wenig dienlich in so einer misslichen Lage ist, wenn die andere scheidende Hälfte bereits eine neue Liebe gefunden hat. Vielen Menschen ist bewusst, dass eine neue Liebschaft vor der Scheidung keinen Vorteil im Scheidungsverfahren darstellt. Was aber meistens nicht bekannt ist: Auch Freundschaften mit einer anderen Person können als Eheverfehlung gewertet werden.

Paar, das vor dem Fernseher sitzt
Regelmäßige Netflix-Abende, die von anderen Personen wahrgenommen und bezeugt werden können, können rechtlich relevant sein – auch wenn dabei rein körperlich gar nichts passiert ist.
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Ausgangslage Verschuldensprinzip

Österreich ist eines der wenigen Länder in Europa, in denen nach wie vor das Verschuldensprinzip gilt. Spricht ein Gericht das überwiegende Verschulden einer Person aus und verdient diese Person wesentlich mehr als die "unschuldige" Person, kann das in einer Verpflichtung resultieren, nachehelichen Unterhalt zu leisten.

Untreue oder Fremdgehen ist kein absoluter Scheidungsgrund mehr, es findet vor Gericht dennoch eine Abwägung statt, was dazu geführt hat, dass es zum Ehebruch kam, wie sich die andere Person verhalten hat etc. Untreue muss nicht in jedem Fall dazu führen, dass man das Scheidungsverfahren verliert, Vorteil ist es in einem Verfahren aber jedenfalls keiner. Das Gericht prüft in einem streitigen Scheidungsverfahren, welche Eheverfehlungen gesetzt wurden und ob diese zur Zerrüttung der Ehe geführt haben.

Was sind Eheverfehlungen eigentlich?

Eheverfehlungen sind Handlungen oder Unterlassungen, die sich gegen das Wesen der Ehe und die damit verbundenen ehelichen Pflichten richten. Man geht davon aus, dass etwas eine "schwere" Eheverfehlung darstellt, wenn das, was passiert ist, im Umfeld des Paares auch bei einer grundsätzlich verständnisvollen Person eine völlige Entfremdung herbeiführen würde.

Im Gesetz werden als Beispiele für Eheverfehlungen erwähnt: Ehebruch sowie die Zufügung körperlicher Gewalt oder schweren seelischen Leids. Körperliche Gewalt ist ein No-Go, aber auch die Ausübung von Psychoterror, andauernde Beschimpfungen, Herabwürdigungen etc. gehören dazu.

Wie ist das mit Freundschaften?

Immer wieder erlebt man, dass Menschen im Brustton der Überzeugung darauf beharren, dass der Partner oder die Partnerin keinen Grund habe, sich zu beschweren, weil "körperlich" nichts gelaufen sei mit der dritten Person. Dass es aber auch schon problematisch sein kann, regelmäßige Netflix-Abende – mit für die Nachbarn sichtbar geparktem eigenem Auto – bei einer "befreundeten" Person zu verbringen, dafür fehlt es an Bewusstsein.

Eheteile müssen jegliches Benehmen unterlassen, das den objektiven Anschein erwecken könnte, eine "ehewidrige Beziehung" zu sein. Ein freundschaftlicher Umgang mit einer Person des anderen Geschlechts ist grundsätzlich keine Verletzung der ehelichen Treuepflicht. Aber: Eine solche Freundschaft kann dann eine Eheverfehlung darstellen, wenn sie den Eindruck einer ehewidrigen Beziehung erweckt, zum Beispiel wenn ein Ehepartner sie dem anderen trotz ihres über das Normale hinausgehenden Ausmaßes verheimlicht.

Auch offengelegte und eben nicht heimliche Freundschaften können eine Eheverfehlung sein. Besonders dann, wenn der eigene Partner diese Freundschaft ablehnt, man sie aber trotzdem aufrecht hält und die Freundschaft geeignet ist, die Eheteile einander zu entfremden oder eine bestehende Entfremdung noch weiter zu verstärken.

Nur sexuelle Treuepflicht?

Am 22.6.2021 bekräftigte der OGH zur Zahl 1 Ob 2/21g, dass auch nur rein "freundschaftliche" Beziehungen zu einem Dritten eine Eheverfehlung sein können (RS0056290). Im konkreten Fall gab es wohl noch andere Themen, der Ehemann führte eine Liste über den ehelichen Geschlechtsverkehr, um der Frau im Scheidungsfall nachweisen zu können, sie sei diesbezüglich nicht ausreichend zur Verfügung gestanden, die Ehefrau führte einen eigenen (vom Ehemann abweichenden) Kalender und soll den Mann zum Suizid aufgefordert haben. Beide schlossen schließlich "Freundschaften" außerhalb der Ehe.

Grundsätzlich haben Eheleute die Ehe einvernehmlich zu gestalten, und die ständige Rechtsprechung hält fest, dass es eben nicht nur darauf ankommt, ob eine Beziehung zu einer dritten Person sexuell oder doch platonisch war.

Im Ergebnis lässt sich sagen, dass die eheliche Treuepflicht nicht auf den sexuellen Bereich beschränkt ist. Die Beteuerung, "sexuell sei wirklich nichts gelaufen", schützt im Scheidungsverfahren nicht unbedingt. Das ist insbesondere auch deshalb konsequent, weil es regelmäßig, selbst mithilfe von Detektivberichten, nicht möglich sein wird nachzuweisen, was dann hinter verschlossenen Türen tatsächlich passiert ist oder eben nicht. (Theresa Kamp, 1.8.2023)