Wien – Die Debatte über die österreichische Neutralität ist einmal mehr entfacht. Die Ankündigung der Bundesregierung am Wochenende, dem Luftraum-Verteidigungssystem Sky Shield beizutreten, hat Bedenken über den neutralen Status Österreichs ausgelöst. Seither ist die Regierungsspitze darum bemüht zu betonen, dass das Projekt die Neutralität nicht gefährde. 

Luftabwehrrakete startet in Richtung Himmel.
Die Bundesregierung will mit dem Beitritt zu Sky Shield eine flächendeckende Luftabwehr in Österreich realisieren.
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Das sehen auch Experten so: Der Völkerrechtsexperte Franz Cede weist im Ö1-"Morgenjournal" das Argument zurück, dass der Beitritt zu Sky Shield jenem zu einem Militärbündnis gleiche. Eine Beistandsklausel oder einen Bündnisfall, wie es in den Verträgen der Nato festgehalten ist, sollte ein Mitgliedsstaat angegriffen werden, gebe es nicht.

Es handle sich schlichtweg um eine Zusammenarbeit mehrerer Staaten und um eine Schutzmaßnahme – das sei kein Problem für die österreichische Neutralität. "Österreich arbeitet ja auch mit der Nato im Rahmen einer Friedensmission zusammen", betont Cede. 

Ähnlich sieht das auch der Militärexperte Franz-Stefan Gady. Primär gehe es bei Sky Shield um eine Art Einkaufsplattform: Als Kollektiv mehrerer europäischer Länder trete man an die Verteidigungsindustrie heran, um eine gewisse Infrastruktur zu einem guten Preis zu bekommen, erklärt Gady ebenfalls im Ö1-"Morgenjournal". "Würde Österreich alleine versuchen, Luftabwehrsysteme zu kaufen, wäre das schwieriger, als wenn man dies mit mehreren Ländern zusammen tut", sagt Gady.

"Revolutionäres System"

Das Ziel von Sky Shield ist laut Gady ein Informationsaustausch zwischen den europäischen Ländern, die daran teilnehmen. Registrieren etwa andere Staaten feindliche Raketen oder Drohnen im europäischen Luftraum, erfährt auch Österreich im Rahmen der Zusammenarbeit schnell davon. Auch Gady sieht dabei kein Problem für die österreichische Neutralität. 

Die Gesamtkosten werden auf rund zwei Milliarden Euro geschätzt, sollte Österreich Sky Shield beitreten. Laut dem Militärexperten sei das ausreichend, um einen flächendeckenden Schutzschirm aufzuspannen. "So ein System wäre revolutionär. Das hat es in der Zweiten Republik noch nicht gegeben", betont Gady. 

Scharfe Kritik an dem Vorhaben gab es mitunter von der FPÖ. Parteichef Herbert Kickl sprach am Wochenende in einer Aussendung von einer Gefährdung der Neutralität Österreichs. Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP) wies die Kritik zurück: Sky Shield sei keine Nato-Initiative und kein Beitritt zu einer Militärallianz, sondern lediglich "die Zusammenarbeit einer Reihe von Staaten". Es gehe bei der Initiative um "pooling and sharing", sagte Schallenberg. (ste, 3.7.2023)