standard.at / Zsolt Wilhelm
Chinas Umgang mit Menschenrechten ist zweifellos einer der größten Herausforderungen für die internationale Gemeinschaft, um es vorsichtig zu formulieren. Menschenrechtsschützer protestieren, einige mutige Aktivisten im Reich der Mitte riskieren gar ihr Leben beim Versuch die Missstände im eigenen Land aufzudecken. Doch all die Verstöße scheinen wie Schall und Rauch im Angesicht der blühenden wirtschaftlichen Möglichkeiten für die Global Player und Investoren der westlichen Welt, die Olympiade zieht ins Land, möge das Gedankengut noch so widersprüchlich im Licht des roten Himmels funkeln.

Unbequem

In Zukunft könnte zumindest ein Element in Chinas Überwachungs- und Kontroll-Politik den anderen Supermächten auf den Magen schlagen. Chinas alles umfassende große Firewall, im originalen "Goldenes Schild" getauft. Das staatlich gesteuerte Sicherheitsnetz, kontrolliert alle ein- und abgehenden Datenpakete über das heimische Internet. Wie in einer Blase schwirren die Informationen umher und prallen an den Innenseiten der Wände ab, sollte ihr Inhalt unerwünscht sein. Von außen gelangt lediglich "gesichtetes Material" ins Innere, potenziell rebellische Webseiten wie Wikipedia oder Youtube werden nach Belieben sogar ganz vom Volk abgeschottet.

Schutz

Doch abgesehen von der totalen Gewalt über die Informationsströme, könnte China mit dem Schild vor allem bei künftigen Kriegsszenarien einen mächtigen Trumpf im Ärmel haben. Einem Bericht des Forbes Magazine zufolge, könnte die Volksrepublik im Ernstfall besser gegen Angriffe von außen geschützt sein, als alle anderen Machtzentren - allen voran der USA, in der das Internet weitgehend liberal und dezentral gesteuert ist. Militärs sehen das Schlachtfeld in den nächsten Jahrzehnten von Land und Luft immer mehr in Richtung Cyberspace verlagert. So werden Server und Backbones zu Angriffszielen, um mit gezielten Hack-Attacken ganze Informations- und Kommunikations-Netzwerke in feindlichen Ländern lahm zu legen.

Titan-Regen

Dass es sich bei diesen Szenarien nicht um Wahnvorstellungen von Science-Fiction-Fans handelt, zeigt ein Vorfall in den USA aus dem Jahr 2006. Im August und September brachen chinesische Computer durch die Sicherheitssysteme des Außenministeriums und der Büros für Industrie und Sicherheit des Wirtschaftsministeriums. Dieser Angriff, auch als "Titan Rain" bekannt, zwang die Behörden hunderte Computer zu ersetzen und manche Systeme für einen Monat lang offline zu nehmen. Eine Verbindung zur chinesischen Regierung konnte nicht hergestellt werden.

Nichts ist sicher

Sicherheitsexperten sind sich allerdings einig, dass selbst eine landesweite Firewall nicht allen Angriffen standhalten würde. Gegen Attacken von innen wäre das Schild gänzlich nutzlos. Feindliche Agenten schleusen Codes über lokale Internet-Cafes ein, planen im Land simultane Denial-of-Service-Attacken, bei denen Server mit abertausenden Anfragen gleichzeitig abgeschossen werden.

Den Stecker ziehen

Vor derartigen Unterwanderungen ist mit Sicherheit kein Staat, sei er noch so penibel überwacht, gefeit. Doch im Gegensatz zu liberaleren Ländern, in denen das Internet als freies Gut und wie jedes andere Medium der Informationsfreiheit zugeschrieben wird, herrschen in China eigene Regeln. Bräche der Schutz im Cyberwar zusammen, zögerte man wohl weit weniger die Handbremse zu betätigen und den Stecker zu ziehen. Der Schritt zur totalen Abschottung scheint im Schatten des goldenen Schildes nicht so fern.(zw)