ÖH-Vorsitzende Barbara Blaha bei der Kundgebung am Minoritenplatz.

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Ein frisch bemaltes Leintuch mit dem Slogan "Für eine echte Bildungspolitik" liegt zum Trocknen im ÖH-Hauptquartier in der Taubstummengasse. Nichts weiter deutet auf eine bevorstehende Demonstration hin. Erst im Sitzungsraum des Vorstands wird Aufbruchsstimmung spürbar.

Es wird gescherzt, und alle Schritte werden ein letztes Mal besprochen: Wer besorgt ein Mikro, wer stellt den Bus und die Anlage bereit. "Sprayer kriegen wir sicher. Aber räumt die Dosen gleich weg - nicht dass jemand beginnt, eine Kirche zu besprühen." Die Erfahrungen aus den Demos der letzten Jahre werden geteilt. "Wir haben das Wort, dass alle heute deeskalierend wirken wollen", erklärt Lina Spielbauer, Bundesvorsitzende der ÖH.

500 ÖH-Protest-Newsletters wurden versandt, ansonsten fehlt der Überblick zur Mobilisierung: "Kistenweise" Flyer seien gedruckt worden.

Vor der Uni Wien werden noch eine Stunde vor Demo-Beginn Flyer verteilt - doch nicht von der ÖH, sondern aus Eigeninitiative. "Es ist wichtig, dass die Studentenschaft ein Zeichen setzt", erklärt Linguistik-Student Martin Reitbauer (25). Aus dem Internet besorgte er die Ankündigungen und druckte diese aus, um möglichst viele zur Demo zu bewegen. Am Minoritenplatz finden sich um 14 Uhr zögerlich Protestierende ein, erst nach einer Stunde sind die erwarteten 500 Studenten da. 250 Polizisten stehen ihnen gegenüber: "Ein Betreuungsverhältnis von 2:1", lacht Spielbauer: "Wenn wir das bloß an den Unis hätten."

Während die ÖH von einer "erfolgreichen Demo in der Prüfungszeit" spricht, sieht man so manchen resignierten Blick unter den Teilnehmern. "Es ist schade, dass von so vielen Studenten nur so wenige hier sind", beklagt sich eine Demonstrantin. Auch Passanten wundern sich über die verhältnismäßig geringe Anzahl an Studenten. "Dafür, dass die Roten die Studenten so sitzen haben lassen, sind sie ja ganz zahm", äußert sich ein älterer Herr am Ballhausplatz.

Graz toppt Wien

Weniger eingeschüchtert zeigen sich die Studierenden in Graz, welche mit Parolen wie "Franz Voves, schläfst du noch, schläfst du noch?" vor dem Landhaus ihren Unmut über die SP-Annäherungsversuche kund tun. 2500 Demonstranten konnten die Grazer Hochschülerschaften aller vier Unis sowie die Sozialistische Jugend, die Grüne Jugend und die KPÖ unter dem Motto "Versprechen halten!" zum Mitgehen motivieren - weit mehr als in der Bundeshauptstadt. Der Rektor der Karl Franzens-Uni, Alfred Gutschelhofer, hatte im Vorfeld alle Studierenden von ihrer Anwesenheitspflicht in Lehrveranstaltungen während der Demo entbunden und auch alle Lehrenden ersucht, teilzunehmen. Einige marschierten auch tatsächlich mit.

"Wir haben zwar jeden Tag einen neuen Flyer zur Demo gefunden, aber keine Zeit gehabt hinzugehen. Es besteht Anwesenheitspflicht", erklärt die Wiener Medizinstudentin Daniela Drascher (21) ihr Fernbleiben. An Empörung würde es jedoch nicht fehlen. Ebenfalls knapp ist die Zeit von Publizistikstudent Damian Reiser (22). Die Idee von gemeinnütziger Arbeit findet er "schwachsinnig". Sozial schwachen Familien damit helfen zu wollen, dass sie fast kostenlos arbeiten, sei absurd: "Da ist es doch immer noch besser, Regale in Supermärkten zu schlichten."

Am Ballhausplatz in Wien haben sich um 16 Uhr immerhin rund 700 Demonstranten eingefunden. Ein großer Luftballon mit den SP-Wahlversprechen wird los gelassen und verschwindet hinter den Wolken. (Louise Beltzung Georg Horvath/DER STANDARD Printausgabe, 18. Jänner 2007)