Foto: Finks Delikatessen
... und wird schnell feststellen, dass diese Früchte jene des Ebereschenbaumes sind und die Vogelbeere also eigentlich ein Kernobst ist.

Aber was soll’s? Denn festzustellen, ob die Vogelbeere nun dieses ist oder jenes, ist nur im praktischen Versuch möglich – und wer’s versucht hat, der (oder die) wird es lassen. Denn „wohlschmeckend“ ist jetzt echt was anderes. Aber: Die Vogelbeere, vor ein paar Jahren (1997) von internationalen Botanikern schon zum „Baum des Jahres“ gewählt, bietet den Menschen ebenso wie den Tieren eine ganze Reihe lukullischer Genüsse.

Bescheiden, robust und nützlich – so charakterisierte Andrea Dee anlässlich seiner Erhebung zum „Baum des Jahres“ im „Standard“ die Vogelbeere. Vielleicht, meinte sie damals am Ende ihrer Betrachtungen, wird die Vogelbeere „in Zukunft nicht nur von Vögeln als Beerenlieferant geschätzt“.

In der Tat: Nicht erst seit dem „Baumpreis“ wird der Vogelbeere als Basisfrucht eines außerordentlichen Genussmittels auch vom Homo Sapiens inbrünstig zugesprochen. Ohne andere Verwertungsmöglichkeiten (Eingelegte Vogelbeeren, Marmelade etc.) beiseite zu lassen, sollte man sich doch zuerst dem zuwenden, was die Vogelbeeren den Menschen in ihrer schönsten Form zu geben haben: als flüssige Essenz, als Schnaps.

Feine Früchtchen für Küche und Kasten

Lang, lang ist gerade in Österreich die Tradition, aus den wilden, rauen, im Rohzustand praktisch ungenießbaren Beeren (die ja eigentlich gar keine sind – siehe oben) Schnaps zu machen. Viel bäuerliche Geschichte ist damit verbunden, vor allem in Tirol, in der Steiermark und den südlichen Landesteilen Salzburgs. Im Pongau zum Beispiel gehört ein Vogelbeerschnaps zum festen Inventar der Bauernstuben und gilt als Medizin ebenso wie als Genussmittel. Und wer als guter Freund des Hauses geschätzt wurde, durfte sogar die eine oder andere Flasche mit nach Hause nehmen.

Rar nämlich war er früher immer, trotz der langen Tradition. Weil's halt so verdammt viel Arbeit macht, die Beeren vom Baum zu holen, bevor die Vögel sich ihren Anteil holen. Letztere tun dies besonders gern, und zwar dann, wenn die Beeren „reif“ sind. Also mit Vorliebe, wenn der erste Frost drübergegangen ist und die Beeren am Baum zu gären beginnen. Das sind dann die Früchte, wie sie Amseln und Drosseln lieben und sich entsprechend mit ausgiebigen Gelagen an dieser Naturgabe erfreuen.

Energie und Rausch

Übrigens warten beide Vogelarten mit einer erstaunlichen Trinkfestigkeit auf. Sie fliegen auch mit drei Promille Alkohol im Blut noch geradeaus und trillern unverfälscht wunderbar ihre Liedchen. Aber wie die Wissenschaft zu wissen meint, ist es weniger die berauschende Wirkung, die Schnapsdrosseln an angegorenen Beeren schätzen als vielmehr der dadurch gesteigerte und besonders in der kalten Jahreszeit notwendige Energiereichtum dieser Nahrung. Für die Vögel und andere Tierarten ist die heimische Vogelbeere ein Gehölz besonderer Art. Über 60 Vogelarten wurden beim Fraß von Vogelbeeren beobachtet. Die Samen werden nach dem Verdauen des Fruchtfleisches unversehrt ausgeschieden und so verbreitet.

Die Eberesche stellt nur wenig Anforderungen an Standort und Klima, entsprechend rau und wild schmecken die Früchte. Für den Rohverzehr sind sie wie erwähnt ungeeignet, aber sie werden – wie etliche andere Wildfrüchte – durch Frost entbittert. In diesem Zustand fangen die Beeren zu gären an, hängen also als alkoholische Freudengaben auf den Bäumen. Früher wurden getrocknete Vogelbeeren auch dem Hausgeflügel als Futter verabreicht, wodurch deren Fleisch wesentlich schmackhafter geworden sein soll. Die frischen Früchte enthalten die örtlich reizend wirkende, bitter schmeckende Parasorbinsäure, die nach dem Trocknen oder Kochen jedoch weitgehend zerstört wird.

Bis in den hohen Norden…

Moosesche, Stinkesche, Güütsch und Quitschbeere sind einige Synonyme für die Früchte des in ganz Europa verbreiteten Baumes, der den lateinischen Namen Sorbus aucuparia trägt. Ein anderer, wesentlicher Grund für den Namen war die jagdliche Bedeutung: Die Beeren wurden früher beim Vogelfang als Köder eingesetzt. Daher kommt auch der wissenschaftliche Name der Baumart aucuparia (au = avis = der Vogel, cuparia = capere = fangen).

Die Eberesche gedeiht in sehr unterschiedlichen Klimagebieten. Man findet sie auf Island, am Nordkap und auf Sizilien. Sie ist der am weitesten nördlich anzutreffende Laubbaum. Teilweise bildet der Baum neben anderen sogar die Baumgrenze. In den Alpen steigt die Vogelbeere bis auf eine Höhe von 2000 bis 2400 Metern. In den Mittelgebirgen kommt sie noch in Höhenlagen von 1100 bis 1450 Metern vor. Möglich macht das eine Besonderheit: Die jungen Zweige enthalten unter der glatten Rinde Chlorophyll. So ist der Baum bei der Photosynthese nicht nur auf seine Blätter angewiesen und kann bereits vor Laubausbruch assimilieren.

Wild und intensiv

Für den Schnapsbrenner sind die wildgewachsenen Formen interessanter als die gezüchteten süßen. Sie bringen durch ihren weit geringeren Zuckergehalt zwar wesentlich weniger Ausbeute, geben aber das viel intensivere, kräftigere Aroma nach Bittermandeln und Marzipan an das Destillat weiter. Die Verarbeitung erfolgt ausschließlich in gerebelter Form. Dies ist unbedingt notwendig, damit keine grasigen und bitteren Nebentöne entstehen. Nachdem die Beeren sehr trocken sind, erfordert der Prozess der Vergärung eine besondere Sorgfalt und viel Erfahrung. Nicht umsonst sind die meisten Fehler in diesem Destillat auf Fehlgärungen zurückzuführen.

Insbesondere im österreichischen Alpenraum hat der Vogelbeerschnaps eine besondere Bedeutung erlangt. Erstens ist er als Lagerschnaps sehr geeignet, zweitens gewinnt er im Alter an Milde und erreicht so eine ungeahnte Eleganz. Ein guter Vogelbeerschnaps ist trotz seiner Eigenwilligkeit und herben Extrakte ein kräftiger, vielschichtiger und auch finessenreicher Brand. Und wenn die Schnapsbrenner die Materie so beherrschen, wie es bei der Verkostung unserer Destillate der Fall war, dann wird daraus ein Schnaps, der manche Kenner zur Begeisterung verführt. A Wahnsinn halt...