Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: APA/EPA
Wien - Der Kardinal mochte sich nur ein "mildes Lächeln" abringen. Mehr an Reaktion hätte die Kritik an seinen Thesen über "unwissenschaftliche" Evolutionstheorien bei ihm nicht ausgelöst, sagte der Wiener Erzbischof Christoph Schönborn am Montag. In die "Ecke der Kreationisten" - die die Bibel wortwörtlich lesen - gehöre er sicher nicht.

In der New York Times hatte der in der katholischen Kirche einflussreiche Schönborn Theorien, die die Idee eines "Designs" im Sinne eines göttlichen Plans für das Leben "wegerklären" wollten, als "Ideologie" kritisiert. Was heftige ablehnende Reaktionen von Wissenschaftern in den USA und Österreich auslöste.

Genetikerin Renée Schröder meinte im STANDARD zu Schönborns Thesen: "Er soll einfach ein bisschen Wissenschaft lernen." Schönborn erklärte tags darauf: Ihm gehe es nicht um die Evolutionstheorie an sich, sondern um "Grenzüberschreitungen" einer Wissenschaft und die Frage, "ob die Evolution ,ziellos' oder ,zielgerichtet' ist". Es sei "inakzeptabel, wenn eine wissenschaftliche Theorie zum Dogma wird, das nicht mehr hinterfragt werden darf".

Für den Wiener Pastoraltheologen Paul Michael Zulehner von der Uni Wien ist die ganze "Aufregung völlig für die Katz. Die Evolutionstheorie ist keine Geschichtsschreibung, sondern eine Erklärung." Schönborn habe, sagte Zulehner im Gespräch mit dem STANDARD, "Recht, wenn er sagt, die Biologie ist ein begrenzter Zugang und kann nicht alles erklären. Aber in Europa gibt es dieses Problem so nicht. Da sind auch die Naturwissenschaften offen für spirituelle Aspekte."

100 Jahre zurück

Ein Indiz für eine künftig konservativere Linie des Vatikans sieht Zulehner in Schönborns Text nicht: "Er versucht damit, Glaube und Vernunft in einem vernünftigen Dialog zusammenzuhalten. Denn Vernunft kann Glauben nicht ersetzen", so Zulehner.

Rudolf Langthaler, Chef des Instituts für Christliche Philosophie der Uni Wien, glaubt nicht an einen "biblischen Kurzschluss" Schönborns im Sinne einer wörtlichen Interpretation des Sieben-Tage-Schöpfungsmythos. Schöpfungsglaube und Evolutionstheorie seien kein Widerspruch, meint Langthaler: "Die Evolution hat in Gott ihren zureichenden Grund."

Auch der Vorstand des Instituts für Fundamentaltheologie und Dogmatik an der Katholisch-theologischen Privatuni Linz, Franz Gruber, sieht keine Vorboten für einen verschärften, rückwärts gewandten Kirchenkurs: "Kardinal Schönborn und Papst Benedikt XVI. sind klug genug zu wissen, dass wir die Heilige Schrift in Fragen der Schöpfung nicht wörtlich als naturwissenschaftlichen Bericht verstehen dürfen. Wenn das so wäre, würden wir hundert Jahre zurückfallen. In der Theologie weiß man heute, der Begriff Schöpfung ist eine Sinnaussage für das Verhältnis Gott - Welt, und keine Erklärung. Erklären tun wir die Weltentstehung durch Naturwissenschaft und Evolution."

Gruber sieht Schönborns Vorstoß eher als Ausdruck zweier widerstreitender gesellschaftlicher Tendenzen: "Die Säkularisierung schreitet voran, aber auch die Neomythisierung und Resakralisierung der Natur. Da sieht sich das theologische Lehramt motiviert und veranlasst, hier sehr klar Stellung zu beziehen, dass eine rein biologistische, naturalistische Sicht des Menschen dem humanistischen, aber vor allem auch dem christlichen Menschenbild nicht entspricht." (Lisa Nimmervoll/DER STANDARD, Print-Ausgabe, 12. 7. 2005)