Mit Peter Handke und seiner kontinuierlichen, unbelehrbaren und mit einiger Öffentlichkeit betriebenen Verharmlosung der Verbrechen des serbischen nationalen Sozialismus will sich die europäische kritische Öffentlichkeit nicht mehr so recht beschäftigen. Der Mann leugnet, verharmlost und entschuldigt literarisch die Gräueltaten des Milosevic-Regimes und seiner Handlanger im kroatischen Krieg 1991/92, im bosnischen Krieg 1992- 95 und im Kosovokrieg 1999. Er verhöhnte die ausgemergelten Opfer serbischer Lager, bagatellisierte die Belagerung von Sarajewo, unterstellte, die Opfer hätten sich selbst in die Luft gesprengt, statt von serbischer Artillerie und serbischen Scharfschützen getötet worden zu sein (die auch Kleinkinder in den Armen ihrer Eltern erschossen), er leugnet die "ethnischen Säuberungen" in Bosnien und im Kosovo. Zuletzt deutet er das Massaker von Srebrenica um, bei dem die serbischen Truppen unter Ratko Mladic 8.000 muslimische Männer sowie männliche Jugendliche und Kinder erschossen. Es seien bosnische "Soldaten" gewesen, wagt Handke zu behaupten – als ob das einen Unterschied machte.

Der Aufruhr im geistigen Europa hält sich in Grenzen. Wenigstens wendete sich jetzt der bedeutendste serbische Schriftsteller, Bora Cosic, gegen Handkes Ungeheuerlichkeiten. Viele andere Autoren und Publizisten haben Handke aufgegeben ("verrückt", murmeln manche), anderen ist es angesichts seines literarischen Weltruhms peinlich, darauf einzugehen. Der Motivation Handkes nachzuspüren ist ein schwieriges Unterfangen. Für jetzt muss der Hinweis auf die nicht wenigen westeuropäischen Autoren genügen, die Stalin und (in viel geringerem Ausmaß) Hitler auf den Leim gegangen sind. Das gibt es, mehr kann man dazu nicht sagen.

Unabhängig davon ist es aber unerträglich, wenn ein so bekannter Autor nur wenig widersprochen die Verharmlosung und Leugnung von Aggressionskrieg und Massenmord praktizieren darf. Juristisch ist dem nicht beizukommen. Es steht eben nur die Leugnung und Verharmlosung nationalsozialistischer Verbrechen unter Strafe, und zwar in den Ursprungsländern des Nationalsozialismus. Mit gutem Grund übrigens, denn es handelt sich nicht um ein "Meinungsdelikt", sondern um die Leugnung und Verharmlosung eines Menschheitsverbrechens, somit um eine Unterstützung der Ziele dieser Ideologie und dieses Regimes in eben den Ursprungsländern. Deshalb steht z. B. das Leugnen der stalinistischen Mega-Verbrechen in Österreich nicht unter Strafe (außer eventuell im Kontext der Verhetzung). Der Stalinismus hat bei uns nie geherrscht.

Nun hatte das Milosevic-Regime und sein "kleiner Bruder" unter Karadzic in Bosnien einige Merkmale eines "nationalen Sozialismus": eine ultra-nationalistische und zugleich völkische Ideologie vom "heldischen Opfervolk der Serben", wirtschaftlich abgestützt durch eine Art soziale Wohlfahrt für die "Volksgemeinschaft". Aber der entscheidende Punkt sind nicht einmal die Größenunterschiede zwischen diesem Balkanfaschismus und dem europaweiten Vernichtungssystem des Dritten Reiches, sondern die innere Konstruktion: Wenn Handke die serbischen Verbrechen leugnet und/oder verharmlost, und zwar in serbischen Medien, müsste er nach einem serbischen Verbotsgesetz belangt werden, wenn es eines (und die entsprechende Geisteshaltung) gäbe.

Deshalb wäre es besser, wenn Handkes Verhöhnung der Opfer keine Publikationsmöglichkeit fände. (DER STANDARD, Printausgabe, 05.07.2005)