Vorbereitungen und Proben zur Militärparade anlässlich des Gedenktags am 9. Mai fanden bereits am Wochenende auf dem Roten Platz in Moskau statt.

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Noch vor zwei Jahren war der 9. Mai in Russland ein Feiertag mit prestigeträchtiger Militärparade, großem Gedenkmarsch und vielen ausländischen Staatsgästen. Dieses Jahr wird der Tag des Sieges über Nazi-Deutschland in Russland noch kleiner ausfallen als vergangenes Jahr, als ausländische Staats- und Regierungschefs bereits nicht erschienen waren, weil russische Truppen zweieinhalb Monate zuvor die großangelegte Offensive gegen die Ukraine gestartet hatten.

Diesmal geht es nicht nur um internationale Isolation, in Russland spielen vor allem Sicherheitsbedenken eine Rolle. "Es herrscht eine Nervosität, wie ich sie noch nie erlebt habe", sagte ein Beamter des Moskauer Bürgermeisterbüros zum "Guardian". Erst vergangene Woche kam es zu mehreren Drohnenangriffen auf russische Ziele. Am meisten Aufsehen erregte jener auf den Kreml, für den Russland die Ukraine verantwortlich gemacht hat. Das in Washington ansässige Institut für Kriegsstudien (ISW) geht allerdings davon aus, dass der Angriff von Moskau selbst inszeniert worden sein könnte, um das Vorgehen gegen die Ukraine für das heimische Publikum als existenziell darzustellen und die "Motivation" in der Bevölkerung zu erhöhen.

Die Sicherheitsvorkehrungen wurden nun verschärft. Die Behörden haben etwa begonnen, GPS-Signale zu stören – was auf Fahrdienstapps allerdings dazu führt, dass der Standort von Autos falsch angezeigt wird, etwa im Fluss Moskwa. Auch der Einsatz von Drohnen wurde verboten. Das bewegte den ukrainischen Banker und Drohnenhersteller Wolodymyr Jatsenko dazu, jener Person, die am Dienstag die erste Drohne auf dem Roten Platz landet, 490.000 Euro "Preisgeld" in Aussicht zu stellen.

Angst vor Provokation

Feiern zum 9. Mai sind in zumindest sechs russischen Regionen, vor allem nahe der Grenze, sowie auf der von Russland annektierten ukrainischen Halbinsel Krim abgesagt worden. Russische Vertreter sprechen von "erhöhter terroristischer Bedrohung" etwa durch "pro-ukrainische Saboteure", aber auch davon, "den Feind nicht mit einer großen Anzahl von Fahrzeugen und Soldaten provozieren" zu wollen.

Auch der Gedenkmarsch "Unsterbliches Regiment", bei dem an die im Zweiten Weltkrieg gefallenen Soldaten erinnert wird, fällt aus. Die Militärparade auf dem Roten Platz in Moskau, wo traditionell mehr als 10.000 Soldaten aufmarschieren und Militärtechnik gezeigt wird, soll aber stattfinden. Dort ist auch die Rede von Präsident Wladimir Putin geplant, in der er die angebliche Bedrohung durch die Ukraine wohl erneut mit dem Kampf gegen Nazis vergleichen wird.

Sicherheitsbedenken werden von russischer Seite in den Vordergrund gestellt, hinter vorgehaltener Hand gibt es aber wohl auch andere Befürchtungen. Etwa die Angst, dass Angehörige von im Krieg gefallenen Soldaten die Veranstaltungen für Trauerbekundungen nutzen könnten. Für die Militärparaden könnten auch einfach Panzer fehlen.

Russische Drohnenangriffe

Einen Tag vor dem 9. Mai griff Russland die Hauptstadt Kiew sowie andere Landesteile jedenfalls erneut aus der Luft an. Kurz vor Mitternacht (Ortszeit) zerriss eine Sirene die Kiewer Nachtruhe und dauerte mehrere Stunden an. Es folgten laute Explosionen der Luftabwehr.

Allein in der Nacht auf Montag wurden landesweit 35 Drohnen des Typs Shahed-136/131 aus iranischer Produktion abgeschossen, teilte der Generalstab der ukrainischen Streitkräfte mit. In Odessa wurde eine Person getötet. In Kiew kam es aufgrund herabfallender Trümmerteile zu Schäden an Gebäuden und Eigentum, fünf Menschen wurden verletzt. Mindestens sieben Autos seien beschädigt worden, ein weiteres fing Feuer. Serhii Popko, Leiter der Kiewer Militärverwaltung, teilte mit, dass die Stadt eine solche Intensität von Angriffen seit Anfang des Jahres nicht mehr erlebt habe.

Im Vorjahr wurde der 9. Mai von der ukrainischen Bevölkerung noch stark gefürchtet – immerhin hat Putin ein Faible für Aktionen an besonderen Daten. Damals fühlte sich die Stadt leer an, und die schrecklichen Bilder aus Butscha waren noch frisch. Ein Jahr später gehen Menschen trotz nächtlicher Angriffe ihren Tätigkeiten nach. Die Hoffnung, dass die angekündigte Gegenoffensive zu weiteren militärischen Erfolgen der Ukraine führt, ist groß.(Noura Maan, Daniela Prugger aus Kiew, 8.5.2023)