Die Freiheitliche Jugend Kärntens hat kürzlich in einem Posting vor einer "Slowenisierung" Kärntens "gewarnt". Die slowenische Außenministerin Tanja Fajon lud deswegen die österreichische Botschafterin in Ljubljana zu einem Gespräch.

STANDARD: Wie ist das Gespräch gelaufen, und sehen Sie in diesem Posting Hassrede?

Fajon: Ich habe das Posting aufs Schärfste verurteilt. Intoleranz gegenüber der slowenischen Minderheit in Österreich ist inakzeptabel, und wir sollten nie vergessen, dass Minderheitenrechte grundlegende Menschenrechte sind. Aber wir müssen das in Zusammenhang mit den Wahlen in Kärnten, die im März stattfinden, sehen. Ich bin sehr froh, dass alle österreichischen Behörden das Posting verurteilten und sich davon distanzierten, einschließlich der österreichischen Botschafterin in Slowenien. Verschiedene Sprachen bereichern nämlich unsere Gesellschaften. Das war auch meine Botschaft, als ich mit dem Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser sprach. Wir waren uns beide einig: Mehrsprachigkeit und Multikulturalität sind die Werte, die wir wollen.

Tanja Fajon, Vizeministerpräsidentin und Außenministerin Sloweniens: "Das hat zu Versuchen der Auslöschung der slowenischen Gemeinschaft geführt."
Foto: IMAGO/Thomas Trutschel

STANDARD: Erwarten Sie, dass die österreichischen Behörden weiter in der Causa ermitteln?

Fajon: Das Posting hat die sofortige Reaktion der österreichischen Behörden verdient. Jetzt verfolgen wir natürlich, was in der Kampagne vor sich geht und ob es hasserfüllte antislowenische Reden oder Rhetorik gibt. In Kärnten wird das zur Mobilisierung von nationalistischen Wählern missbraucht oder wiederverwendet, und das hat bereits in der Vergangenheit zu Versuchen der Auslöschung der slowenischen Gemeinschaft auf österreichischem Staatsgebiet geführt. Wir erwarten, dass die österreichischen Behörden immer auf solche Sachen reagieren. Solche Vorfälle können Unruhe oder negative Emotionen, sogar Angst unter der slowenischen Minderheit in Kärnten hervorrufen. Der Artikel 7 des österreichischen Staatsvertrags, in dem es um die Rechte der Minderheiten geht, ist allerdings noch immer nicht vollständig umgesetzt.

STANDARD: Der Begriff der "Slowenisierung" taucht auch in Dokumenten der Bundes-FPÖ auf, an anderer Stelle propagieren die jungen Freiheitlichen in Kärnten: "Echte Patrioten sprechen Deutsch." Was bedeutet es, wenn so etwas in einem multilingualen Umfeld gesagt wird?

Fajon: Ich habe diesen Satz heute als zusätzliche Provokation gesehen. Der Wahlkampf ist hitzig und ich appelliere wirklich an alle, dass die Kampagne nicht nicht für diese antislowenischen Botschaften oder starken Emotionen verwenden oder missbrauchen. Wir sollten die Harmonie zwischen beiden Sprachgemeinschaften wirklich schützen. Das ist so wichtig für unsere guten Beziehungen.

STANDARD: Die FPÖ sagt, dass sich die "Slowenisierung" auf Gerichte bezieht. Justizministerin Alma Zadić will eine Reform der Gerichtsstruktur. Derzeit ist die Verwendung des Slowenischen nur an wenigen Bezirksgerichten in Kärnten vorgesehen, in Ferlach/Borovlje, Eisenkappel/Železna Kapla und Bleiburg/Pliberk. Künftig soll die Verwendung der slowenischen Sprache gestärkt und ihre effektive Verwendung vor Gericht abgesichert werden. Zadić hat dazu eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Haben Sie mit Zadić darüber gesprochen?

Fajon: Nein, aber ich habe Kontakt zu Vertretern von slowenischen Gemeinden in Kärnten, daher weiß ich, dass sie an der Sprache in den Gerichten, aber auch in den Schulen arbeiten, und ich ermutige nur, diesen Weg fortzusetzen.

Foto: Screenshot Instagram, FJ Kärnten

STANDARD: Nun zum Krieg gegen die Ukraine. Wie stehen Sie zu möglichen Friedensgesprächen, unter welchen Bedingungen und wann könnten solche stattfinden? Sie haben kürzlich gesagt, dass es ohne Russland keinen dauerhaften Frieden und keine Stabilität in Europa geben werde. Bedeutet das, dass die Ukraine von Russland annektierte Gebiete aufgeben muss?

Fajon: Es gibt eine ständige Diskussion über diese brutale russischen Aggression und den Krieg in der Ukraine, weil er uns nicht nur wegen Energie oder Lebensmitteln betrifft, sondern auch wegen der Herausforderung der internationalen Ordnung. In Slowenien verstehen wir ganz klar die Notwendigkeit und unterstützen die Ukrainer in ihrem Kampf für territoriale Souveränität und Integrität. Wir bieten Hilfe an, solange diese notwendig ist, weil wir nicht zulassen können, dass die Aggression überwiegt. Die Ukraine wurde angegriffen und hat das Recht, sich zu verteidigen. Daher sind die Versuche, die international anerkannten Grenzen eines souveränen Staates gewaltsam zu verändern, eine ernsthafte Bedrohung der internationalen Ordnung. Slowenien hat mehr als 27 Millionen Euro an humanitären, materiellen und militärischen Mitteln für die Ukraine bereitgestellt. Gleichzeitig müssen wir mehr Anstrengungen unternehmen, um mehr diplomatische Kanäle zu öffnen. Das steht auch im ersten Absatz der Resolution nächste Woche in der Uno, um wirklich damit zu beginnen, den Krieg zu beenden und Friedensverhandlungen aufzunehmen.

STANDARD: Sehen Sie, dass der Kreml bereit ist, Friedensgespräche zu führen?

Fajon: Die Ukraine wird bestimmen, wann der beste Zeitpunkt für die Aufnahme von Friedensgesprächen ist. Ich kann nur sagen, dass die Ukraine Frieden will, so wie ganz Europa Frieden will. Es geht darum, Bedingungen zu schaffen, damit wir die Friedensverhandlungen beginnen können.

STANDARD: Wird Slowenien mehr Rüstung in die Ukraine schicken?

Fajon: Das ist Sache des Verteidigungsministeriums. Derzeit konzentrieren wir uns mehr auf materielle und humanitäre Hilfe. Denn wir sind kein kleines Land. Aber wir haben gar keine Leopard-Panzer, die wir schicken könnten. Wir sind also nicht Teil der zentralen Diskussion.

STANDARD: Wenn es um die restriktiven Maßnahmen gegen russische Oligarchen geht, so ist in Slowenien kein Geld gesperrt worden. Gibt es in Slowenien kein russisches Oligarchengeld?

Fajon: Wir haben bisher alle Maßnahmen der EU unterstützt. Aber ich glaube nicht, dass wir eines der Zielländer für russische Oligarchen sind.

STANDARD: Was halten Sie von dem deutsch-französischen Vorschlag für einen Vertrag zwischen Serbien und dem Kosovo?

Fajon: Ich halte es für sehr wichtig, dass beide Seiten etwas Zurückhaltung üben. Wir müssen alles tun, um sicherzustellen, dass der Dialog zwischen dem Kosovo und Serbien fortgesetzt wird. Der Kosovo muss sich wirklich darum bemühen, einen Verband der serbischen Gemeinschaften zu gründen und die Integration und das Wohlergehen der Menschen der serbischen Gemeinschaft zu gewährleisten. Wenn es um den EU-Vorschlag geht, so verstehe ich, dass wir über äußerst harte politische Entscheidungen mit vielen möglichen Konsequenzen sprechen. Ich hoffe jedoch, dass sowohl Belgrad als auch Pristhina, angeführt von ihren Politikern, einen Weg finden werden, diesen Moment zu nutzen. Denn es ist schwer zu sagen, wann sich eine neue Gelegenheit ergibt.

STANDARD: Könnte das Abkommen zwischen Serbien und dem Kosovo den Einfluss Russlands in Serbien einschränken?

Fajon: Mir erschließt sich nicht, weshalb Sie die Frage über den Einfluss Russlands stellen. Ich denke, dass wir in den letzten Tagen einige positive Äußerungen der serbischen Führung gesehen haben. Ich erwarte nun Reife und Weisheit bei der Führung beider Länder. Ich verstehe, dass es eine sehr heikle und schwierige Situation ist, aber dieses Jahr kann ein großer Schritt nach vorn gemacht werden.

STANDARD: Unterstützt Slowenien die Mitgliedschaft des Kosovo im Europarat?

Fajon: Wir widersprechen dem nicht. Aber ich glaube nicht, dass die Debatte darüber derzeit auf dem Tisch liegt. Ich bin mir nicht sicher, ob es nicht verschoben wurde, aber wir haben nichts dagegen. (Adelheid Wölfl, 21.2.2023)