Was in Österreich nur bei Übungen gebraucht wird, soll weiter östlich gegen russische Invasoren helfen: Die Ukraine wartet auf eine Lieferung von Leopard-2-Panzern. Sollen die Soldaten dafür hierzulande geschult werden? Da stößt die Hilfsbereitschaft an Grenzen.

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Sie sollen Schutz vor einer neuerlichen Offensive Russlands bieten: In einer Koalition mit anderen Staaten will Deutschland der Ukraine bis April ein Bataillon an Leopard-2-Panzern liefern. Das Gerät ist hierzulande nicht unbekannt. Österreich hat ebenfalls Kampffahrzeuge dieses Typus im Einsatz – und bildet im Zuge einer Kooperation auch fremde Soldaten aus. Doch was für Ungarn und Tschechen gilt, soll für die Verteidiger gegen die russische Aggression nicht gelten. Österreich werde keine ukrainischen Soldaten am Leopard ausbilden, ließ Verteidigungsministerin Claudia Tanner (ÖVP) das Ö1-Morgenjournal wissen: Es sei die "souveräne Entscheidung eines jeden Staates, im Rahmen seiner Gesetze die Ukraine zu unterstützen".

Frage: Steht Österreichs Neutralität rechtlich im Weg?

Antwort: Daran scheiden sich die Geister der Fachleute. Grundsätzlich verbietet die seit 1955 "immerwährend" geltende Neutralität militärische Hilfe für eine Kriegspartei. Doch seit dem EU-Beitritt sei dieses Prinzip nicht mehr in vollem Umfang gültig, sagt Völkerrechtsexperte Ralph Janik von der Uni Wien und verweist auf Artikel 23j der Bundesverfassung, der die Teilnahme an der gemeinsamen Sicherheits- und Außenpolitik erlaubt. Fasst der EU-Rat einen Beschluss, wie er am 17. Oktober für eine militärische Unterstützungsmission pro Ukraine (EUMAM) gefallen ist, sei die Neutralität kein absolutes Hindernis mehr – im Übrigen auch nicht für Waffenlieferungen. "Das bedeutet nicht, dass Österreich mitmachen muss", betont Janik, "doch das ist dann eine politische Entscheidung. Hinter dem Neutralitätsgesetz verstecken sollten sich Politiker dabei aber nicht."

Franz Leidenmühler interpretiert die Rechtslage hingegen anders. Der Beschluss der EU-Mission ändere nichts daran, dass die militärische Unterstützung einer Kriegspartei völkerrechtlich ein Verstoß gegen die Neutralität sei, sagt der Vorstand des Instituts für Europarecht an der Uni Linz – unabhängig davon, ob das betroffene Land Opfer oder Aggressor ist. Möglich wäre eine solche Hilfe nur dann, wenn der UN-Sicherheitsrat ein entsprechendes Mandat gewährt, was wegen des russischen Vetos allerdings illusorisch ist.

Weil die Ausbildung von Kampfpanzerfahrern eindeutig als militärischer Support zu werten sei, müsse die Regierung aus völkerrechtlicher Sicht Nein sagen, so Leidenmühlers Conclusio: "Sie darf das nicht machen." Ob über einen russischen Protest hinaus Konsequenzen drohen würden, fügt er an, sei eine andere Frage.

Frage: Und wie argumentiert die Regierung?

Antwort: Man teile Janiks Einschätzung, wonach die Neutralität im aktuellen Fall keine Hürde sei, heißt es aus dem Büro von Außenminister Alexander Schallenberg (ÖVP): Folglich habe Österreich der EUMAM-Mission, die der Stärkung der ukrainischen Armee dienen soll, nicht bloß zugestimmt, sondern auch 4,7 Millionen Euro zur Finanzierung zugesagt.

Warum die Regierung dann nicht auch konsequenterweise die Ausbildung von Panzerfahrern anbieten will? Für eine Begründung verweist das Außenministerium auf das Verteidigungsministerium: Dieses sei für Angelegenheiten des Bundesheeres zuständig.

Dort sind auf Nachfrage ebenfalls keine rechtlichen Einwände zu vernehmen. Allerdings sei es derzeit "politisch ausgeschlossen", eine Kriegspartei militärisch zu unterstützen, heißt es aus dem Büro von Ministerin Tanner – warum genau, war nicht herauszukitzeln. Dafür leiste Österreich an humanitärer, diplomatischer und finanzieller Hilfe aber mehr als andere Staaten, so der Nachsatz.

Frage: Die ÖVP regiert allerdings nicht allein. Schließt sich der grüne Koalitionspartner der von Tanner vorgegebenen Linie an?

Antwort: Nein. Man sei "verwundert", dass Tanner eine derart weitreichende Entscheidung "ohne Diskussion" im Alleingang verkündet habe, heißt es auf STANDARD-Anfrage aus dem grünen Klub. Erst gelte es, Für und Wider abzuwägen, Juristen und Sicherheitsexperten anzuhören. Damit sei nicht gesagt, dass sich die Grünen am Ende pro Ausbildung der ukrainischen Soldaten aussprechen werden, heißt es. Doch einfach akzeptieren wolle man Tanners Vorgabe nicht.

Frage: Wie handhaben andere neutrale Staaten militärische Hilfe für die Ukraine?

Antwort: Die Ausbildungsfrage bescherte auch Irland, neben Malta und Österreich das dritte verbliebene EU-Mitglied mit diesem Status, eine Neutralitätsdebatte. Der Inselstaat wagte sich einen Schritt weiter vor als Österreich: Irland unterrichtet ukrainische Soldaten zwar nicht für den Einsatz in Panzern, jedoch aber für Minenräumungen und den Umgang mit Sprengstoff. Diese Schulungen in "Nischenkompetenzen", argumentierte der irische Außen- und Verteidigungsminister Simon Coveney in der Tageszeitung The Irish Times, würden der Ukraine helfen und dennoch die Neutralität nicht gefährden.

Ein Kompromiss auch für Österreich? Rechtlich erkennt Experte Janik naturgemäß da genauso wenig ein Problem, sein skeptischer Kollege Leidenmühler sieht eine "Grauzone". Der Fall ließe sich in beide Richtungen – sowohl als unvereinbar als auch vereinbar mit der Neutralität – argumentieren: "Minensucher können offensiv eingesetzt werden, um Truppen den Weg freizumachen – oder zur Räumung von Parks und Spielplätzen."

Für Tanner jedoch ist selbst der irische Weg ein No-Go: Hilfe bei der Entminung der Ukraine sehr gerne – aber erst nach Ende des Krieges, wie das in Bosnien-Herzegowina erfolgreich vorexerziert worden sei. Auffälligerweise begründete die Ministerin diese Linie Anfang Februar noch nicht politisch, sondern sehr wohl mit rechtlichen Vorbehalten. Alles andere als eine Unterstützung der Ukraine durch das Bundesheer, so ihr damaliges Zitat laut Austria Presse Agentur, "würde dem Verfassungsrecht widersprechen". (Gerald John, Tabea Hahn, 13.2.2023)