Vor 25 Jahren ist der austro-britische Philosoph und "Jahrhundertdenker" Karl R. Popper gestorben, dessen Hauptwerk "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" (1945) als das Grunddokument des Liberalismus und der liberalen Demokratie gelten kann.

Eine neue Biografie beschreibt die Bedeutung Poppers (Kurt Salamun: "Ein Jahrhundertdenker. Karl R. Popper und die offene Gesellschaft"). Der gebürtige Wiener Popper, der wegen des rabiaten christlichsozialen und deutschnationalen Antisemitismus an den österreichischen Hochschulen schon 1937 nach Neuseeland emigrierte, ist später immer wieder kurz nach Österreich zurückgekehrt.

Der Philosoph und "Jahrhundertdenker" Karl R. Popper.
Foto: imago images/United Archives International

Bei den Alpbacher Hochschulwochen (heute Europäisches Forum Alpbach) 1958 sagte er: "Ich bin ein ganz und gar altmodischer Philosoph, der an eine völlig veraltete Philosophie glaubt. Es ist die Philosophie eines längst vergangenen Zeitalters, des Zeitalters des Rationalismus und der Aufklärung. Als einer der letzten Nachzügler (...) glaube ich an die Selbstbefreiung des Menschen durch das Wissen – ebenso wie einst Kant, der letzte große Philosoph der Aufklärung."

Abschottung und Bewahrung

Rationalismus. Aufklärung. Selbstbefreiung durch Wissen. Das waren (und sind) nicht nur die Antithesen der großen totalitären Systeme wie Nationalsozialismus und Kommunismus – oder heute des fundamentalistischen Islamismus. Sie klingen auch seltsam altmodisch-weltfremd in einem Zeitalter, wo in Europa und den USA wieder die Abschottung gegen "das Andere" (zum Beispiel gegen Flüchtlinge und Migranten) und die Beschränkung auf "das Eigene" politisch wirkungsmächtig geworden ist. Wenn heute rechte Parteien und Politiker im Wahlkampf die "Bewahrung unserer kulturellen Identität" beschwören, so erinnert das an Poppers Begriff der "geschlossenen Gesellschaft" oder Stammesgesellschaft, die "in einem Zauberkreis unveränderlicher Tabus, Gesetze, Sitten (lebt), die als ebenso unvermeidlich empfunden werden wie der Aufgang der Sonne, der Kreislauf der Jahreszeiten".

Dem setzte Popper seine "offene Gesellschaft" entgegen, die durch offene Diskussion und generelle Freiheit, "die kritischen Fähigkeiten des Menschen" freisetzt. Dies wiederum schafft die Voraussetzungen für Fortschritt und materiellen Erfolg, wobei die Demokratie die adäquateste Staatsform sei, allerdings nicht als krude Herrschaft der Mehrheit, sondern als Möglichkeit, einen gewaltlosen Machtübergang zu gewährleisten.

Generell sind aber abgeschottete, geschlossene Gesellschaften, wie sie etwa die völkischen Nationalisten wollen, den offenen Gesellschaften eindeutig unterlegen. Versiegelte Gesellschaften, die nach einem heiligen Buch leben sollen, an dem kein Beistrich interpretiert werden darf, oder die auf "ethnische Reinheit" oder absolute "kulturelle Identität" setzen, bleiben zurück. Das gilt für die islamischen Staaten, das galt für Nationalsozialismus und Kommunismus. Spannend wird es bei China, das alles andere als eine offene Gesellschaft ist, ja sogar zum Modell einer Überwachungsdiktatur wird. (Hans Rauscher, 20.9.2019)