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Oxfam-Aktivisten in Taormina protestieren vor dem G7-Gipfel. Sie wollen auf Klimaversprechen aufmerksam machen.

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James Nixon: "Die USA empfinden Umweltauflagen als Belastung für ihre Industrie."

Foto: Oxford Economics

Wien – Staats- und Regierungschefs suchen ab Freitag auf dem G7-Gipfel auf Sizilien nach Lösungen für heikle Fragen wie Freihandel und Klimawandel. Für den Ökonomen James Nixon ist das Vertrauen der Europäer gegenüber den USA geschwächt.

STANDARD: Die USA kehren dem Freihandel den Rücken, Großbritannien setzt auf Nationalismus, und in Frankreich wurde ein Pro-EU-Kandidat Präsident. Führen diese sehr unterschiedlichen Entwicklungen zu einer neuen Weltwirtschaftsordnung?

James Nixon: Ja, ich denke schon. Wobei sich Großbritannien und die USA in sehr unterschiedliche Richtungen entwickeln. Großbritannien will sich aus dem bürokratischen Binnenmarkt lösen und sich gleichzeitig als Freihandelschampion etablieren. Sie wollen möglichst schnell bilaterale Freihandelsabkommen abschließen, vor allem mit Ländern in Asien. Das ist eine ganz andere Ausgangsposition als in den USA. Das Weiße Haus wird im Bereich der Fiskalpolitik und Steuerreformen durch den Kongress eingeschränkt. Freiheit hat die Regierung dafür im Handelsbereich, da passiert mittlerweile schon einiges. Sollten andere Länder bei diesem Kurs nachziehen, könnten Teile des globalen Handelssystems bedroht sein.

STANDARD: Wer sind die Gewinner, wer die Verlierer?

James Nixon: Die Weltwirtschaft erlebt gerade einen relativ starken Aufschwung, vor allem im asiatischen Raum. Jene Länder, die stark in den Handel involviert sind, scheinen gerade die Gewinner zu sein. Das zählt vor allem für europäische Länder, die einen Wettbewerbsvorteil haben. Zu diesen zählen natürlich Deutschland und viele Länder Osteuropas. Aber auch einige kleinere Länder, die sich technisch spezialisiert haben – wie zum Beispiel Österreich – profitieren. Gewinner sind auch Länder wie Portugal, die durch niedrige Lohnkosten Industrie anziehen. Verlieren werden jene Staaten, denen hohe Handelsbarrieren auferlegt werden, wie die USA es für China planen. Langfristig werden aber alle Länder, die in globale Güterketten involviert sind durch solche Barrieren verlieren.

STANDARD: Verändert sich durch die abweichenden Agenden auch die Art der internationalen Zusammenarbeit, etwa im IWF oder der OECD?

James Nixon: Ich glaube, das wird sicher der Fall sein, wenn die USA ihren einseitigen Kurs fortführen. Das wird die Zusammenarbeit herausfordern und Auswirkungen auf die globale Wirtschaftspolitik haben. Ein Beispiel ist der harte Kurs, den der IWF gerade gegenüber Griechenland verfolgt. Ich glaube, dass die US-Regierung durchaus hinter dem harten Kurs steht. Also ja, ich glaube, dass der Kurs der USA die Funktionen und Arbeitsweisen dieser Institutionen ändern kann.

STANDARD: Das Motto der italienischen G7-Präsidentschaft lautet "Grundlagen für neues Vertrauen schaffen". Wurde altes Vertrauen gebrochen?

James Nixon: Die USA haben in der Vergangenheit lautstark Länder mit Handelsüberschüssen kritisiert. Das hat natürlich das Vertrauen der Europäer gegenüber den USA geschwächt. Man wird wohl versuchen, dieses Vertrauen auf dem Gipfel wieder aufzubauen. Ich glaube auch, dass Italien aufgrund der fiskalpolitischen Auflagen Europas ein wenig frustriert ist. Das Motto kann also auch die Frustration wegen dieser Auflagen zum Ausdruck bringen.

STANDARD: Wird das durch den neuen politischen Kurs der USA schwieriger?

James Nixon: Es wird härter werden. Es ist keine gute Lösung, sich hinter Mauern und Protektionismus zu verstecken und Einwanderung einzudämmen. Es gibt genug Beweise dafür, dass die Produktivität und das Wirtschaftswachstum dadurch eingeschränkt werden. Länder, die so eine Politik verfolgen, werden am Ende des Tages ärmer sein.

STANDARD: Nachhaltigkeit wird ein heikles Thema auf dem Gipfel sein, nachdem Trump einen Rückzug aus dem Pariser Klimaabkommen erwägt.

James Nixon: Die USA empfinden Umweltauflagen und -regulierungen als Belastung für ihre Industrie. Es gibt genug Beweise, dass das nicht stimmt. Ich glaube, mit dem richtigen Umweltgerüst können Unternehmen sogar davon profitieren. Das beste Beispiel ist der Bereich der erneuerbaren und grünen Energie. Ich glaube, hier bauen sich Deutschland und Europa gerade einen komparativen Vorteil auf.

STANDARD: Was bedeutet das für die USA?

James Nixon: Je mehr sich die Vereinigten Staaten zurückziehen, um die eigene Industrie zu schützen, desto weiter werden sie global in allen möglichen Bereichen zurückfallen. Deshalb werden die restlichen G7-Staaten versuchen, die USA zu überzeugen, Teil dieser weltweiten Abkommen zu bleiben.

STANDARD: Widerspricht ein wachsender Welthandel nicht den Zielen des Pariser Klimaabkommens?

James Nixon: Nein, wir müssen uns langfristig jedoch nach neuen Technologien umschauen und Energie effizienter einsetzen. Aber ich glaube nicht, dass das den Klimazielen widerspricht. Vielleicht wird die Industrie wieder regionaler, globale Güterketten werden aber weiter bestehen. Ich glaube, wir müssen einfach effizienter werden.

STANDARD: Lange Güterketten sind nicht gerade nachhaltig.

James Nixon: Wir müssen weltweit weiter wachsen. Wer sich um das Klima sorgt, muss nicht gegen Wachstum sein. Es gibt nach wie vor viel Ungleichheit und tatsächliche Armut in unserer Weltwirtschaft. Wir können das Problem nur lösen, wenn wir weiter wachsen. Was sich aber ändern muss, ist die Art, wie Wachstum stattfindet. Wir müssen Energie nachhaltiger einsetzen und weniger kohlenstoffintensiven Handel betreiben. Die Technologie, die dazu führen kann, gibt es schon. (Nora Laufer, 26.5.2017)