Wien – Manches gelingt Paula (Elisabeth Wabitsch) mühelos. In Französisch zum Beispiel ist sie Klassenbeste. Die 17-Jährige referiert nicht nur fließend über Proust, sondern bringt in wenigen Sätzen das Werk des Dichters auf den Punkt: Für sie hat alles mit Eifersucht zu tun.

Manchmal genügt an einem heißen Sommertag schon ein Sprung in den Badeteich, um den Rest der Welt hinter sich zu lassen: Paula (Elisabeth Wabitsch) in "Siebzehn".
Foto: Orbrock Film

Doch statt Erinnerungen an eine verlorene Zeit ist Paulas Welt durchsetzt von Eindrücken der Gegenwart. Von Wunschgedanken. Wenn etwa Charlotte (Anaelle Dézsy) sie nach Hause gefahren hat, dann wünscht sich Paula einen Abschiedskuss. Natürlich gesteht sie der Freundin diesen nicht, sondern erträumt ihn sich. Genauso wie die zarte Berührung, wenn ihre Hand neben der von Charlotte liegt. Doch diese hat einen Freund und ist für Paula somit unerreichbar. Scheinbar, denn wie Monja Art in ihrem Film erzählt, ist auch oder vor allem gerade unter Siebzehnjährigen vieles anders, als man glaubt.

Das Bemerkenswerte an Siebzehn ist, dass hier wie im richtigen Leben nichts fertig ist, schon gar nicht in einem Alter, in dem man wahrlich andere Sorgen als die Zukunft hat. Es sind also vielmehr kleine Dramen aus Paulas Alltag, die Monja Art, die auch für das Drehbuch verantwortlich zeichnet, in ihrem Debütfilm aneinanderfügt und die erst langsam ein Gesamtbild ergeben. Vieles bleibt nur angedeutet und genügt als Miniatur: ein Geburtskuchen für Paulas behinderten Vater, eine egoistische Schwester, keine Mutter. Ein Sprung in den Badeteich. Eine einsame Bushaltestelle, an der sie von einem schüchternen Verehrer zu einem Konzert – Clara Luzia ist die Provinzsensation – eingeladen wird. Doch jede Begegnung hat etwas mit der anderen zu tun, wie auch die Gefühle von Tag zu Tag weiterwirken.

Das Wahre im Falschen

Es ist die letzte Woche vor den Ferien, auf dem Programm stehen Abschlussfest, Baden, Tanzen in der Dorfdisco: Es sind die üblichen Bausteine des österreichischen Coming-of-Age-Films, die auch Siebzehn bestimmen. Macht aber nichts, solange sie so gut ineinanderwirken und inszeniert sind wie hier.

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Siebzehn ist für Paula und die anderen nämlich auch Ausdruck eines Zustands. Natürlich geht es um Liebe und Sex, um echten und imaginierten, und darum, ob das nun etwas miteinander zu tun haben soll oder nicht. Und darum, welches Spiel die Klassenzicke Lilli (Alexandra Schmidt) mit Paula treibt: eines der Verführung und der Illusion, ausgerechnet in einem Film, der von der Authentizität des Schauspiels und seines Schauplatzes bestimmt ist.

Was Siebzehn von vergleichbaren Arbeiten unterscheidet, ist aber auch das Milieu. Wie in eine andere Welt eingesperrt sitzen die jungen Frauen mit dunklen Röcken und weißen Strümpfen, die Burschen mit Hemd und Krawatte, in ihrer Internatsschule und tragen Vornamen wie Michael, Paula und Charlotte. Nicht die Flucht vor der – im österreichischen Film allzu oft als Ort der Tristesse gezeichneten – Provinz ist ihr Ziel, sondern einfach nur, mit den Dingen klarzukommen. Das verleiht diesem Film eine Leichtigkeit, die sich in Momenten puren Glücks findet. (Michael Pekler, 25.4.2017)