Johan Inger zeigt, wie die Vorgänge in Prosper Mérimées Novelle "Carmen" auf kindliche Beobachter wirken könnten: verletzend.

Foto: Jesús Vallinas

St. Pölten – Eine Uraufführung des Flamencostars Israel Galván im Mai und eine Neuinterpretation der Carmen von dem schwedischen Choreografen Johan Inger mit der spanischen Compañía Nacional de Danza im März. Das Festspielhaus testet den Frühling als heiße Jahreszeit.

Inger, geboren 1967, reüssierte als Choreograf beim Nederlands Dans Theater (NTD). Er leitete zwischen 2003 und 2008 das schwedische Cullberg-Ballett, bevor er wieder ans NDT engagiert wurde. Zurzeit arbeitet er als freier Choreograf. Seine Carmen – die Musik darin stammt von Georges Bizet, Rodion Schtschedrin und Marc Álvarez, es spielt das Tonkünstlerorchester Niederösterreich – wurde 2015 in Madrid uraufgeführt.

Wie stellt sich die Geschichte dieser Figur aus der gleichnamigen Novelle von Prosper Mérimée in den Augen eines Kindes dar, fragte sich Johan Inger zu Beginn des Projekts und erkärt diesen Zugang so: "In diesem Charakter verbirgt sich ein gewisses Mysterium, er könnte irgendein Kind sein oder Don José, als er ein Bub war, eine junge Michaela oder Carmens und Josés ungeborenes Kind. Sogar wir selbst könnten dieses Kind sein, mit unserem ursprünglichen Guten, das von einem Gewalterlebnis verletzt wird, das unserem Leben einen Stoß versetzt hat und unsere Fähigkeit zur Begegnung mit anderen für immer beeinflusst."

Inger holt den Kern der Erzählung als jenen Schock hervor, den ein Mensch erfährt, wenn er erstmals auf menschliche Destruktivität stößt. So verschiebt er die Geschichte aus ihrer traditionellen Rezeption in eine zeitgenössische Perspektive.

Nicht wesentlich anders verfährt Israel Galván, wie das Publikum im Festspielhaus Sankt Pölten bereits bei TOROBACA erleben konnte, mit dem Flamenco.

Galván, er ist auch für zwei Wochen Artist in Residence des Hauses, arbeitet für die Uraufführung von LA FIESTA / Das Fest zusammen mit Patricia Caballero an einem Aufeinandertreffen von "neun tanzenden Stimmen und singenden Körpern".

Da kündigt sich ein Hochgenuss für manches Auge und Ohr an, denn Israel Galván führt den Flamenco in neue, ungeahnte Dimensionen. Für junge professionelle Tänzer gibt es am 28. April auch eine Masterclass. (ploe, 24.2.2017)