Ein Geschäftsleiter, der einen Arbeitstag falsch plant, kann gleich drei oder mehr Arbeitszeitdelikte begehen. Bestraft wird er dann pro betroffenen Arbeitnehmer – eine teure Anhäufung von Strafen.

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Wien – In ihrem neuen Arbeitsprogramm hat die Bundesregierung die Sozialpartner beauftragt, bis 30. Juni eine Lösung zur Abschaffung des Kumulationsprinzips im Verwaltungsstrafrecht ausarbeiten. Sollte das nicht gelingen, will sie einen eigenen Vorschlag beschließen. Vor allem das Arbeitsrecht wäre von dieser Erleichterung betroffen. Denn dort gilt das Prinzip der doppelten Kumulation.

Die Einhaltung zahlreicher gesetzlicher Verpflichtungen ist durch Verwaltungsstrafen abgesichert. Bei Arbeitsrechtsverstößen werden solche Strafen in der Regel je Straftatbestand und je betroffenen Arbeitnehmer verhängt. Es kann daher sein, dass für einen einzigen Arbeitstag gleich mehrere Delikte bei mehreren Arbeitnehmern bestraft werden.

Wird etwa die Tagesarbeitszeithöchstgrenze um eine Viertelstunde überschritten, die Ruhepause um zehn Minuten verkürzt und die gesetzlich vorzusehende Tagesruhezeit um wenige Minuten unterschritten, dann sind gleich drei Delikte verwirklicht und werden für diesen Tag drei Verwaltungsstrafen verhängt. Bei zehn Arbeitnehmern ergeben sich daraus gleich 30 Strafen.

Problematisches Kumulationsprinzip

Auch bei kleinen Fehlern kann die Verwaltungsstrafe einige Zehntausend Euro kosten, was GmbH-Geschäftsführer, die selbst Arbeitnehmer sind, aus eigener Tasche bezahlen müssen. Bei einer hohen Regelungsdichte ist das Kumulationsprinzip besonders problematisch: Gerade im Arbeitsrecht wurden Verwaltungsstrafen immer wieder ausgedehnt – zuletzt im Bereich des Lohn- und Sozialdumpings auf fast jeden Entgeltfehler.

Im Arbeitszeitrecht etwa gibt es für die Arbeitszeit nicht nur eine Grenze (wie in der EU-Arbeitszeitrichtlinie vorgesehen), sondern gleich vier: eine Arbeitszeitgrenze für den Tag, eine für die Woche, eine dritte in einem Durchrechnungszeitraum und schließlich eine vierte "indirekte" Grenze aufgrund der gesetzlichen Kontingentierung der Überstunden. All diese Grenzen sind aufgrund der Doppelkumulation auch verwaltungsstrafrechtlich relevant.

Auch die Strafrahmen wurden immer wieder erhöht, im Arbeitszeitrecht bei gewissen Delikten auf bis zu 3600 Euro pro Delikt. Im Fall der Unterentlohnung drohen im Wiederholungsfall sogar bis zu 50.000 Euro, wenn mehr als drei Arbeitnehmer betroffen sind – für jeden Arbeitnehmer gesondert.

Die Abschaffung der doppelten Kumulation ist daher ein Schritt in die richtige Richtung, um Geldstrafen zu vermeiden, die gerade im Vergleich zu den im Strafrecht verhängten Strafen in keinem Verhältnis stehen. Die Kumulation würde dann nur noch je Straftatbestand erfolgen, die Anzahl der betroffenen Arbeitnehmer über den Strafrahmen berücksichtigt werden: Je mehr Arbeitnehmer betroffen sind, desto schwerwiegender ist die Übertretung und die Strafhöhe.

Nur drei statt 30 Strafen

Beim oben genannten Beispiel wären dann nicht mehr 30 Strafen, sondern drei Strafen zu verhängen. Es wäre aber auch noch ein anderer Weg denkbar: die Abschaffung der Kumulation je Straftatbestand und ihre Beibehaltung je Arbeitnehmer. Damit wären beim obigen Beispiel zehn Strafen gegeben, je Arbeitnehmer eine.

Ein gänzliches Abgehen vom Kumulationsprinzip wäre allerdings bedenklich. Zum einen bestehen unionsrechtliche Hürden, denn einige EU-Richtlinien (z. B. AZ-RL "Straßenverkehr" und AZ-RL "Bahnpersonal") sehen vor, dass die Mitgliedstaaten wirksame und abschreckende Sanktionen vorsehen müssen. Zum anderen hilft ihre Abschaffung nichts gegen die Zunahme der verwaltungsstrafrechtlichen Regelungsdichte. Denn das Kumulationsprinzip wirkt sich nur bei der Strafbemessung aus. Der entscheidende Weg liegt daher in der Vereinfachung der Verwaltungsstrafkataloge selbst. (Christoph Wolf, Andreas Jöst, 21.2.2017)