Am 4. Dezember 2016 betrat ein Mann aus North Carolina mit einem Sturmgewehr die Comet Ping Pong Pizzeria in Washington, D.C., gab einen Schuss auf ein Schloss einer Kellertür ab und begann dort, nach als Sexsklaven gefangen gehaltenen Kindern zu suchen. Die Polizei nahm ihn fest.

Der übliche Verrückte mit einer Schusswaffe in den schusswaffenverrückten USA? Das auch, aber der Hintergrund ist hochpolitisch. Der Mann glaubte, einem Kinderpornoring unter der Leitung von Hillary Clinton auf der Spur zu sein. Diese Wahnidee war zuerst auf ein paar rechtsextremen Tweets und Blogs aufgetaucht, dann aber von Usern auf 4chan und Reddit übernommen worden und verbreitete sich in rasender Geschwindigkeit im Internet. Befeuert wurde sie durch die von Wikileaks veröffentlichten E-Mails von John Podesta, dem Wahlkampfmanager von Clinton, aus denen naive und/oder bösartige Verschwörungstheoretiker Hinweise auf den Kinderpornoring herauszulesen glaubten.

Wikileaks ist ein Instrument der russischen Geheimdienste (geworden), die die Seite mit den gehackten Mails versorgten, um Hillary Clinton zu schaden. Die Kinderpornostory wurde aber auch von Donald Trumps künftigem Nationalen Sicherheitsberater, Exgeneral Michael T. Flynn, in einem Tweet auf insinuierende Weise erwähnt ("Sie entscheiden: New Yorks Polizei alarmiert wegen neuen Hillary-E-Mails: Geldwäsche, Sex Verbrechen mit Kindern etc. Unbedingt lesen!"). Sein Sohn Michael G. Flynn, tweetete noch direkter und wurde deshalb aus dem Übergangsteam von Trump gefeuert. General Flynn wird aber einer der mächtigsten Männer der USA.

Objektiv hat dieses Zusammentreffen von Putins Geheimdienst, dem Lager von Trump und rechtsradikalen Verschwörungstheorie-Seiten Hillary Clinton geschadet.

Was tun? Die Pizza-Fake-News sind ja nur ein, wenn auch eines der bizarrsten Beispiele. Die europäischen Regierungen drängen Facebook, besser zu prüfen, was dort gepostet wird. Zwar stellen sich Zuckerbergs Leute jetzt nicht mehr taub, aber selbst hunderte Netzwächter können die Flut an Blödsinn und Hass, und vor allem an hinterhältigen Andeutungen nicht komplett überwachen. Gesetzliche Verschärfungen, wie sie bei uns überlegt werden, sind ein fragwürdiges Instrument.

Besser schon Organisationen einrichten, die die Fake-and-Hate-Produzenten benennen als das, was sie sind. Die FPÖ gehört laut der deutschen Hoaxmap.org zu den eifrigsten Verbreitern falscher Gerüchte ("Gratishandys für Asylwerber"); die nahestehende Site unzensuriert.at macht fest mit. Die EU-Kommission hat eine kleine Truppe, die russische Fakes benennt, Deutschland plant Ähnliches. Dann muss die Zivilgesellschaft ran, wie die Site Mimikama – oder die vielen Freiwilligen, die im Wahlkampf Vernetzungsarbeit für Van der Bellen leisteten.

Und die seriösen Medien, die über entsprechende Ressourcen zur Faktenprüfung verfügen, müssen sich sehr viel intensiver darum kümmern, die Fake-Pseudo-Konkurrenz auffliegen zu lassen. (Hans Rauscher, 30.12.2016)