Bild nicht mehr verfügbar.

Ein neues Gesicht – "a new face", nach dem Lucas verlangte – für jedermann und jeden Mann, der nicht erwachsen werden wollte.

Foto: ap/apa

Los Angeles – Ihren vermeintlich letzten Leinwandauftritt hatte sie erst vor wenigen Wochen. Nur für wenige Sekunden, und doch als Fanal der Hoffnung. Am Ende von "Rogue One: A Star Wars Story" blickt Carrie Fisher in eine Kamera, vor der sie in Wirklichkeit nie stand. Zum Leben erweckt von den digitalen Hexern Hollywoods, nimmt sie, die ewige Prinzessin im Krieg der Sterne, die von den Rebellen erbeuteten Pläne des Todessterns entgegen. In ihren Händen liegt ab diesem Moment das Schicksal des Universums. Ein Augenblick inszeniert als Kniefall vor einer Legende, nicht nur von jenen, die in diesem Film da draußen stundenlang dafür ihr Leben aufs Spiel gesetzt haben, sondern auch als Verbeugung vor einer Frau, die jahrzehntelang der populärsten Filmserie der Kinogeschichte ein Gesicht schenkte.

"A new Face"

Carrie Fisher, geboren 1956 in Beverly Hills, war dieses Gesicht seit vierzig Jahren, nachdem sie 1977 im ersten Teil von George Lucas' Sternensaga zum ersten Mal in der Rolle der Prinzessin Leia auftauchte. Da war sie gerade zwanzig Jahre alt geworden, hatte in London an der renommierten Central School of Speech and Drama studiert und gerade einmal einen Leinwandauftritt in Hal Ashbys "Shampoo" mit Warren Beatty in der Tasche. Doch Fisher erfüllte die Vorgaben perfekt, denn gerade weil sie kein Star war, konnte aus ihr einer gemacht werden. Ein neues Gesicht – "a new face", nach dem Lucas verlangte – für jedermann und jeden Mann, der nicht erwachsen werden wollte.

Harrison Ford, mit dem sie fortan ein versprengtes Leinwandpaar bilden sollte und den Lucas aus "American Graffiti" (1975) mitbrachte, kam gerade noch fast unbekannt glücklich hinzu.

Nach diesem Film, der später mit dem Titel "A New Hope" versehen wurde, war nichts mehr wie früher, nicht für das Kino und noch weniger für Carrie Fisher. Denn von nun an war sie Märchenheldin einer nächsten Generation. Fisher war nicht eine jener Leinwandgöttinnen des endgültig zu Ende gegangenen klassischen Hollywood wie ihre Mutter Debbie Reynolds und ihre Stiefmutter Elizabeth Taylor – Vater Eddie Fisher konzentrierte sich vorrangig auf seine Musikkarriere und ein bewegtes Leben –, sondern ganz Kind ihrer Zeit. Star eines Kinos, das man bewundern, aber nicht mehr lieben konnte.

Kein Entkommen aus der Rolle

Aus der Paraderolle, die nur wenige Auftritte auf der Leinwand, aber umso größere Aufmerksamkeit bescherte, gab es kein Entkommen. Im Grunde arbeitete Carrie Fisher fortan mehr an einem Zustand als an einer Karriere. Die wenigen Auftritte zwischen den Sternenkriegen wie in "Blues Brothers" (1980) oder die vielen kleinen danach wie in "Hannah und ihre Schwestern" (1986) oder "Harry und Sally" (1989) waren nur Nebenschauplätze. Die Würfel waren schon gefallen. Denn was das Blockbusterkino der Achtzigerjahre mit seinen Stars machte, auch das war neu: Lebensrollen. Der Wechsel ins Charakterfach, das war höchstens etwas für Männer wie Han Solo oder Indiana Jones, die zum Blade Runner werden konnten. Leia blieb Prinzessin, auch wenn sie wie in "Return of the Jedi" (1983) als Barbarella für Buben im goldenen Metallbikini posierte.

"Wishful Drinking" titelte Fisher ihre 2008 erschienene Autobiografie, die wiederum auf ihrem eigenen Einpersonenstück beruht, mit dem sie auf die zahlreichen körperlichen und psychischen Schädigungen durch Öffentlichkeit und Elternhaus reagierte. Das Cover zeigt eine auf dem Boden liegende Frau im weißen Kleid, es ist Leia mit ihrer längst zum Kult erklärten Mädchenfrisur – das Gesicht in den Armen vergraben. Die Pillen und das Martini-Glas fallen auf den ersten Blick gar nicht auf. Der Titel sei irreführend, schrieb damals die "New York Times", denn das Trinken sei Fishers geringstes Problem.

Life is a horrible joke

In ihrem 1987 erschienenen, halb autobiografischen Roman "Postcards from the Edge", den Mike Nichols mit Shirley MacLaine und Meryl Streep 1990 verfilmte, schreibt Fisher: "Life is a cruel, horrible joke and I am the punch line." In dem für Dezember nächsten Jahres angekündigten "Star Wars: Episode VIII" wird sie noch einmal zu sehen sein. Angeblich konnte Fisher ihre Szenen im Film noch rechtzeitig beenden. Falls nicht, zaubert man ihr wohl wieder ein strahlendes Gesicht. Denn in Wahrheit hat Prinzessin Leia sie längst überlebt – über den wirklichen Tod hinaus.

Am Dienstag ist Carrie Fisher im Alter von 60 Jahren an den Folgen eines Herzinfarkts in Los Angeles gestorben. (Michael Pekler, 28.12.2016)